Was macht die Kunst? Madonna dei Pellegrini von Caravaggio
Stand: 27. April 2025.
Was macht die Kunst? Madonna dei Pellegrini von Caravaggio
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Auf dem Gemälde sehen wir eine junge Frau aus dem Volk mit einem Kind auf dem Arm, sie steht auf der Türschwelle in einem baufälligen Hauseingang. Sie ist hübsch mit ihren braunen, hochgesteckten Haaren und den ebenmäßigen Zügen. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich ein schmaler Heiligenschein: Es ist Maria mit dem Jesus-Kind. Vor den beiden knien zwei prominent platzierte Pilger in zerschlissener Kleidung. Der Mann streckt uns seinen geflickten Hosenboden entgegen und seine nackten, nicht allzu sauberen Fußsohlen.
Die Szene war eine Provokation, allerdings nicht im blasphemischen Sinne. Caravaggio macht deutlich, dass die Kirche Mariens, einer Frau aus dem Volk, für die Armen da sein soll. Rom ist sehr prunkvoll in dieser Zeit, mit großen Festumzügen, viel Gold in den Kirchen und reichen Klerikern, die den Leuten diktieren wollen, wie sie zu leben haben. In diesen Jahren gab es auch eine Gegenbewegung innerhalb der Kirche, die für mehr Bescheidenheit plädierte. Das Jahr 1600 war – wie das Jahr 2025 – ein heiliges Jahr. Papst Clemens VIII zog damals barfuß durch 60 Kirchen Roms, und er wusch auch Pilgern die Füße. Dreckige Füße zu malen war also eine Provokation gegen die Prunk-Liebhaber, nicht aber gegen den Papst. Caravaggios Bild entstand kurz nach dessen Tod.
Bescheidenheit auszudrücken, darin war auch Papst Franziskus ein Meister. Er setzte sich von den roten Schuhen und all den Zeremonien seines Vorgängers ab; eines seiner letzten Bilder zeigt ihn im einfachen Poncho im Petersdom. Volksnähe war ihm wichtig. Er pflegte Kontakt mit Obdachlosen, besuchte Gefangene, solidarisierte sich mit Migranten. Das alles kam aber nur zum Tragen, weil er auch für entsprechende Bilder sorgte.
Franziskus wirkte wie ein Gegenpol, der in Zeiten der Verschwendung mit denen sympathisiert, die nicht mithalten können im globalen Digitalkapitalismus. Auch im Barock war alles ein bisschen zu viel. Interessanterweise setzt Caravaggio dem eine Kunst der Reduktion entgegen, er tut dies aber ebenfalls mit sehr theatralischen Mitteln. Die Pilger, die Madonna auf unserem Bild stehen da wie auf einer Bühne, und wir sitzen in der ersten Reihe.