Was macht die Kunst? "Susanna und die Alten" von Artemisia Gentileschi
Standdatum: 3. März 2024.
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Die #MeToo-Bewegung hat das französische Kino erreicht. Die Schauspielerin Judith Godrèche erstattete Anzeige gegen zwei Regisseure, die sie als Teenager missbraucht haben sollen. Nun debattiert das Land über den fatalen Mythos der Kindfrau, der gerade in der Kulturszene lange gepflegt wurde.
Sexualisierte Gewalt ist auch ein altes Thema in der Kunst. In Gemälden männlicher Altmeister gibt es Parteinahme für die Täter, aber auch Mitgefühl mit den Opfern. Tizian etwa zeigt auf einem Gemälde sehr deutlich die Angst einer antiken Lucretia, kurz bevor sie vergewaltigt wird. Andere Maler aber wollen nur einen nackten weiblichen Körper zur Schau stellen. Das passiert oft am biblischen Motiv der Susanna, die beim Baden im Garten von zwei alten Richtern beobachtet und bedrängt wird.
Dieses Motiv wurde im Barock auch von einer Künstlerin gemalt: Artemisia Gentileschi (1593-1653). Ihre Darstellung von 1610 ist ungewöhnlich. Susanna sitzt vor einer Brüstung, sie ist uns zugewandt. Ihr bloßer Körper ist hell erleuchtet, wie von einem Blitz. Sie muss sich winden, um den Männern auszuweichen. Die beugen sich von oben über die Brüstung und nehmen mit ihren breiten Oberkörpern ein gutes Drittel des Gemäldes ein. Es ist sehr bedrohlich. Susannas Ekel ist zu sehen.
Doch bei Gentileschi bleibt Susanna selbstbestimmt. Zwar ist sie körperlich wie sozial den beiden Richtern klar unterlegen. Aber sie verweigert ihr Einverständnis, obwohl die beiden sie erpressen wollen. Zu spüren ist Susannas innerer Widerstand. Am Ende ist es in der Geschichte ein Außenstehender, der junge Daniel, der Susanna hilft, als die Täter sie dann auch noch verleumden. In der Bildlogik sind nun wir Betrachtende zum Eingreifen aufgefordert, wir bezeugen das Unrecht und befinden uns auf Susannas Seite der Brüstung.