Was macht die Kunst? Gabriele Münter: Das Bildnis Marianne von Werefkin

Eine Frau lächelt in die Kamera
Kia Vahland

Was macht die Kunst? Gabriele Münter: Das Bildnis Marianne von Werefkin

1918 setzte die Frauenbewegung in Deutschland das Wahlrecht für Frauen durch. Ein Jahrzehnt zuvor trafen eine deutsche und eine russische Malerin, Gabriele Münter und Marianne von Werefkin, im bayerischen Voralpenland aufeinander und freundeten sich an. Unsere Kolumnistin Kia Vahland erzählt an einem Gemälde von 1909, wie diese beiden Künstlerinnen einander bestärkten – und was sich daraus lernen lässt in Zeiten digitaler Gewalt, die Frauen in der Öffentlichkeit heute besonders trifft.

Bild: Börsenverein des deutschen Buchhandels | Moe Wuestenhagen

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Gabriele Münter, Bildnis Marianne von Werefkin, 1909, Öl auf Pappe
Das Bildnis Marianne von Werefkin von Gabriele Münter, gemalt 1909. Zu sehen ist es in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München. Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Auf dem Porträt, das Gabriele Münter im Jahr 1909 von ihrer russischen Kollegin Marianne von Werefkin in Murnau malte, sieht man eine Frau, die uns mit einem aufmerksamen Blick über ihre rechte Schulter anschaut. Die Formen sind klar und großformatig: Ihr großer Hut, mit Blumen und Stoffen geschmückt, bildet eine Schräge und erlaubt der eigentlich schlanken Figur raumgreifend aufzutreten. Ihr lila Umhang über weißem Hemd kontrastiert mit sonnengelbem Hintergrund. Münter malt ihr Gegenüber, bis auf die Augen, in schnellen dicken Pinselstrichen, die man sehen darf: So zeigt sie, hier handelt es sich um Kunst, die Künstlerinnenhand hat Spuren hinterlassen.

Gabriele Münter lebte mit dem russischen Künstler Wassily Kandinsky in ihrem Haus am Ortsrand von Murnau. Die beiden scharten viele Freunde um sich, darunter auch Marianne Werefkin mit ihrem Lebensgefährten Alexej von Jawlensky. Beide Frauen waren expressionistische Künstlerinnen und malten sehr eigenständig. Münter etwa blieb, wie auf diesem Gemälde, dem menschlichen Gesicht treu, ganz anders als ihr Mann Kandinsky. Auch Werefkin setzte sich deutlich von Jawlenskys Abstraktion ab. Aber gerade sie stellte ihre Kunst jahrelang für ihren Partner hintenan – wie so viele Frauen nicht nur im frühen 20. Jahrhundert. Gerade in der bildenden Kunst galt lange: Ein weibliches Genie darf es nicht geben.

Frauen nahmen beim Blauen Reiter, die Künstlerbewegung aus München, ganz selbstverständlich teil. Es war nicht nur Platz für eine von ihnen, erst später in der Kunstgeschichte wurden sie in den Hintergrund gedrängt. Münter und Werefkin mussten also gar nicht konkurrieren. Im Gegenteil, sie waren in ähnlicher Lage und haben einander ganz offensichtlich gemocht und gegenseitig bestärkt. Das Gemälde zeigt genau das: Sie sehen einander, erkennen die schöpferische Energie der jeweils anderen an.

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