Die Morgenandacht Duftspuren

Heinrich Deboi
Heinrich Deboi

Die Morgenandacht Duftspuren

Die Oberhirten in der Kirche sollten Maß nehmen an Jesus, dem Hirten der Kirche, meint Heinrich Deboi. Sie sollten den Geruch der Schafe annehmen.

Bild: Katholischer Gemeindeverband Bremen

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Die Zahlen sind eindeutig: Während Fitnessstudios immer voller werden, leeren sich die Kirchen. Menschen verabschieden sich weniger vom Glauben, mehr jedoch von der Kirche, die ihnen zu überaltert, konservativ und frauenfeindlich ist. Missbrauchsskandale und Kritik an der Kirchenführung stehen im Vordergrund, manchmal ist es auch ein handfestes materielles Motiv, das die Christen zum Austritt bringt: die Kirchensteuer. Die Wirtschaftswoche kam in einer Musterkostenrechnung zu dem Ergebnis, dass sich Kirchenmitgliedschaft dann rentiert, wenn möglichst viele Angebote der Kirche beansprucht werden, angefangen bei der feierlichen Hochzeit und Taufe, über Kindergarten, musikalisch gestaltete Gottesdienste, für die man keine Eintrittskarten kaufen muss, ein Beichtgespräch, das einen teuren Therapeuten erübrigt, und schließlich das feierliche Begräbnis. Aber das, was Kirche zur Kirche macht, lässt sich gerade nicht in Euro und Cent beziffern.

Der Prophet Jesaja ermuntert bildreich: "Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Auch wer kein Geld hat, soll kommen." (Jesaja 55,1) Was Kirche in ihrem Wesenskern ausmacht und uns wirklich satt macht, ist also gebührenfrei, gratis und kostenlos. Mit Steuern und Gebühren bezahlen wir Dienstleistungen wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Seniorenzentren und Einrichtungen für Arme und Notleidende. Für das, was Gottes Geschenk an uns zum Ausdruck bringt, gilt: "Umsonst habt ihr empfangen – umsonst sollt ihr geben." Deswegen werden Sakramente im Auftrag Gottes und im Namen der Kirche gespendet, nicht verkauft.

Als der Spitzenkoch Horst Lichter im Alter von 22 Jahren den plötzlichen Tod seiner kleinen Tochter ertragen musste, suchte er Trost bei einem Pfarrer, erhielt aber von dessen Haushälterin nur die Antwort: "Der Herr Pastor hat jetzt keine Zeit, aber er stellt eine Kerze für das Kind auf." Ich will über diesen Pfarrer nicht urteilen. Aber ich hoffe, dass keine solchen verletzenden Erfahrungen durch Kirchenverantwortliche zu den zahlreichen Kirchenaustritten geführt haben. Die Diener der Kirche sind menschlich, manchmal allzu menschlich, manchmal aber auch verbrecherisch.

Der Apostel Paulus erkannte, dass die in der Kirche Berufenen ihr Geschenk, das Gott ihnen zur Weitergabe anvertraut hat, "in zerbrechlichen Gefäßen" tragen. Aber wie schnell ist Porzellan zerschlagen, oft lässt es sich gar nicht mehr flicken und ist danach nie mehr das, was es einmal war. Ich wünsche mir, dass die Oberhirten in der Kirche in allem Maß nehmen an Jesus, dem Hirten der Kirche. Und: Ein guter Hirte hinterlässt Duftspuren, er muss nach Schaf riechen. Deshalb müssen Priester, Diakone und Ordensleute vor allem menschlich bleiben und solche Duftspuren hinterlassen, also nach Schaf riechen und jederzeit gern und umsonst geben, was sie umsonst empfangen haben.

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