Die Morgenandacht Unordnung

Frauke Löffler
Frauke Löffler

Die Morgenandacht Unordnung

Das Internet ist voll von Ratgeber-Videos, mit denen man sein Leben besser organisieren soll. Frauke Löffler wird erschlagen von Perfektion und freut sich dann über ein Video, das sehr viel unperfektes Leben zeigt.

Bild: Bremische Evangelische Kirche

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Das Internet ist voll von Ratgeber-Videos, mit denen man sein Leben besser organisieren soll. Frauke Löffler wird erschlagen von Perfektion und freut sich dann über ein Video, das sehr viel unperfektes Leben zeigt.

Ordnung ist das ganze Leben. Jedenfalls im Internet. Je nachdem welche Beiträge man sich so bei Instagram anschaut, bekommt man neue Videos oder Bilder eingespielt. Und nachdem ich mir offenbar einige Beiträge zum Thema "Aufräumen" oder "Aussortieren" angeschaut hatte, bekam ich also eine ganze Weile immer wieder Fotos von tiptop aufgeräumten Wohnzimmern, Küchenschränken mit Lebensmittel in praktischen Gefäßen, die genau nebeneinander passen und ordentlich beschriftet sind und wunderbare Überlegungen dazu, dass weniger Besitz auch weniger Stress verursacht.

Voller Begeisterung klickte ich mich durch all diese Beiträge und fing fast träumerisch an zu überlegen, wie ich meine Wohnung in so ein Minimalismusparadies, wo alles seinen Platz hat, verwandeln könnte. Wie einfach wäre da das Aufräumen, wie viel Platz hätte ich zum Kochen, wenn nicht immer so viel auf den Arbeitsflächen stünde. Und wie viel Zeit könnte ich sparen, wenn ich genau wüsste, wo was ist und nicht immer minutenlang nach dem Dosenöffner oder der dazu gehörigen Dose mit Bohnen suchen müsste. Großartig! Und immer wieder fand ich noch DEN ultimativen Tipp zum Aufräumen und DAS vielversprechende Angebot für Vorratsdosen. Und: Sie ahnen es schon: ordentlicher wurde es in meiner Wohnung nicht.

Aber dann zog eines Tages ein anderes Video meine Aufmerksamkeit auf sich: da stand eine Frau in einer Küche und man konnte sehen, was sich dort alles auf den Arbeitsflächen befand: eine Teekanne, eine Schale mit Obst, ein Müslikarton, ein paar Dosen Katzenfutter, zwei Töpfe mit etwas traurigem Basilikum und noch ein paar Dinge mehr. Die Frau in dem Video sagte: Können wir bitte mal darüber reden, dass in Küchen Dinge rumstehen und nicht alles seinen Platz hat? Wow, dachte ich, ja, genau so ist das! Ich lebe in meiner Wohnung und das sieht man in jedem Zimmer! Da liegt das Strickzeug auf dem Sofa, die Kaffeetasse vom morgendlichen Kaffee steht auf dem Esstisch, die Tasche mit meinen Arbeitsdingen ist im Flur stehen geblieben und in der Küche steht die Packung Nudeln rum, die ich morgen sowieso benutzen will. Manches räume ich zeitnah weg, anderes bleibt länger stehen. Die Nudeln machen Appetit auf morgen und das Strickzeug lässt mich mich freuen auf die nächste kleine Pause, in der ich weiter machen kann.

Ein Psalmbeter hat mal gesagt: "Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, Gott, du stellst meine Füße auf weiten Raum." Wie schön, dass ich diesen weiten Raum habe: in meiner Wohnung und in meinem Leben. Aber den gibt mir Gott aus lauter Güte und nicht irgendein Mensch auf Instagram. Ich kann diesen Raum gestalten und er darf auch mal unordentlich sein – denn so ist das Leben. Ich so will mich freuen über Gottes Güte und nicht ärgern, weil nicht alles perfekt ist.


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  • Frauke Löffler

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Die Nacht

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