In der Ausstellung Nach 100 Jahren wieder vereint: "Die Maler des Heiligen Herzens"

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  • Anna-Maria Stock
Neptun verfolgt Engel auf seinem Streitwagen
André Bauchant, Le triomphe de Neptune, 1929, Öl auf Leinwand. Bild: Sammlung Zander

Die neue Ausstellung im Paula-Modersohn-Becker-Museum vereint Gemälde von vier französischen Künstlern und einer Künstlerin, die bereits 1928 zusammen ausgestellt waren. Jetzt, fast hundert Jahre später, können die Werke mit ihrer individuellen Bildsprache und intensiven Farben in Bremen bewundert werden.

Die Ausstellung zeigt 50 Werke von Henri Rousseau, André Bauchant, Camille Bombois, Louis Vivin und Séraphine Louis. Sie alle lebten und malten Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich. Doch das ist nicht ihre einzige Gemeinsamkeit, erzählt Museumsdirektor Frank Schmidt. "Also, zum einen sind sie alles Autodidakten, das heißt, sie haben einen normalen Beruf gehabt, haben also keine Kunstakademie besucht, sind also weniger kunsthistorisch vorgebildet, obwohl sie auch Museen besucht haben. Und sie haben einen direkten, unmittelbaren und unverstellteren Zugang zur Kunst und zur Realität."

Palais de Trocadero Paris, Vorderansicht
Louis Vivin, Trocadero, undat., Öl auf Leinwand. Bild: Sammlung Charlotte Zander

Da sind etwa die Traumwelten des Henri Rousseau: Landschaften, die in unzähligen Grüntönen daherkommen. Louis Vivin malte bunte Pariser Stadtansichten, Strich für Strich, mit ungewöhnlich verschobenen Perspektiven. Oder die Jahrmarktszenen des Camille Bombois, der kraftvolle Frauen-Körper in kräftigen Farben malte. 1928 hatte der Kunsthändler Wilhelm Uhde die Werke der fünf Künstler in einer Ausstellung in Paris vereint, auch unter dem Titel "Die Maler des Heiligen Herzens". Der Kunsthändler Wilhelm Uhde erkannte, "da ist was Gemeinsames, dieses Unverstellte, mit dem Herzen gemalt, nicht mit dem Verstand gemalt. Das hat ihn interessiert, und so kommt auch der Titel zustande", erklärt Frank Schmidt.

Entdeckungen von Wilhelm Uhde

Wilhelm Uhde war ein bekannter Kunsthändler und um die Jahrhundertwende eine schillernde Persönlichkeit in Paris – mit einem guten Gespür für Kunst. Er förderte etwa früh Pablo Picasso und George Braque. Bei Streifzügen durch die Straßenmärkte im Pariser Künstlerviertel Montparnasse entdeckte er Louis Vivin. Eine andere Entdeckung machte er in seinen eigenen vier Wänden: Séraphine Louis war seine Haushälterin. Als er ihre Malereien sah, war er begeistert und kaufte ihr fortan Leinwände, auf denen sie malen konnte.

Blühende Margeriten auf dunkelgrünem Hintergrund
Séraphine Louis, Marguerites, 1929, Öl auf Leinwand. Bild: Sammlung Charlotte Zander

Henrike Hans vom Paula-Modersohn-Becker-Museum hat die Ausstellung kuratiert, zusammen mit Udo Kittelmann vom Baden-Badener Museum Frieder Burda. Sie ist besonders angetan von den Werken Séraphine Louis’: "Es ist einfach Wahnsinn. Man muss sich das vorstellen, unter was für Widerständen sie angefangen hat zu malen, wie sich ihr Werk entwickelt hat. Von ganz kleinen Holztafeln mit einzelnen Früchten drauf zu riesengroßen Fantasiepflanzen, mit Lacken gemalt, die sehr speziell sind, flüssig, sie hat die Leinwände liegend auf dem Boden bearbeitet und das ist einfach ungewöhnlich."

Während Rousseau mit seinen fantasievollen Landschaftsbildern heute zum Kanon gehört und in vielen Museen hängt, sind die anderen vier bis heute nahezu unbekannt. Mit der Ausstellung möchten die Museen dazu beitragen, den Kanon zu öffnen. Das Paula-Modersohn-Becker-Museum fühlt sich den Positionen der Modern und besonders den Frauen verpflichtet, die lange nicht berücksichtigt worden sind. Und es gibt eine ganz persönliche Verbindung von Paula Modersohn-Becker zu einem der fünf Künstler:innen. Paula Modersohn-Becker besuchte 1906 Henri Rousseau in seinem Atelier in Paris. Die Begegnung inspirierte sie zu einem Porträt vor Blumengrund, ein Bild, das auch in der Ausstellung zu sehen ist. Das Besondere: Figur und Blumen werden eins, Vordergrund und Hintergrund sind gleich bedeutsam – wie in Werken Rousseaus.

Fanatsievoll und bunt

Im ersten Raum der Ausstellung hängen Gemälde von allen fünf Künstler:innen. So unterschiedlich sie motivisch und stilistisch sind, so fällt doch gleich auf, was sie eint: eine besondere Farbgebung. Das zeigt sich auch in den weiteren Räumen der Ausstellung, die jeweils einer der fünf Personen gewidmet sind. Henrike Hans ist begeistert über die "wahnsinnige Frische", beim Gang durch die Museumsammlung könne man vieles sehen, das einigermaßen homogen sei, aber: "Diese Bilder stechen da nicht nur motivisch, und von der Art der Darstellung von Figuren oder Pflanzen heraus, sondern ganz besonders auch durch die Farben", sagt sie.

Waldlandschaft mit Blumenwiese, See, Bäumen und Menschen am Ufer
Henri Rousseau, Vue de Bois de Boulogne, ca. 1895, Öl auf Leinwand. Bild: Sammlung Zander

Bombois, Bauchant, Louis, Vivin und Rosseau galten und gelten bisweilen noch immer als "primitive, naive" Künstler, als sogenannte Outsider-Künstler. Das werde ihrer Kunst aber nicht gerecht, findet Museumsdirektor Frank Schmidt: "Man kann es auch umdeuten und sagen: naiv als etwas Positives, im Sinne von 'fantasievoll'. Wenn man sich Bilder von Rosseau anschaut, der nie irgendwo war, und der dann Tiger malt oder eben dieses Exotische malt, einfach aus seinem Verständnis, aus seiner Fantasie heraus. Und dieser schöpferische, dieser fantasievolle Gehalt, der verbindet auch diese Künstler."

Ungewöhnliche Werke zum Entdecken

Es sind absolut sehenswerte Bilder, die jetzt nach bald 100 Jahren wieder zusammen gezeigt werden, in einer absolut sehenswerten Ausstellung, die viel künstlerisches Können offenbart.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 3. Dezember 2022, 11:40 Uhr

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Der Vormittag mit Britta Lumma

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