In der Ausstellung Yael Bartana. Utopia Now! in der Weserburg in Bremen
Werke der Israelischen Multimediakünstlerin in der Weserburg
Standdatum: 29. Mai 2024.
Die Ausstellung "Utopia Now!" ist ein Coup für die Weserburg: Während auf der Biennale von Venedig die Israelin Yael Bartana im deutschen Pavillon ausstellt, gibt Bremens Museum für moderne Kunst einen konzentrierten Einblick in das Schaffen der international gefragten Künstlerin.
Um was geht es in der Ausstellung?
Wir leben in einer "apokalyptischen Realität", sagt Yael Bartana, besonders im Hinblick auf die Situation in Nahost. Kunst dagegen "kann phantasievolle Momente vorschlagen". Wenn die 54-Jährige ihre Ausstellung mit "Utopia Now!" überschreibt, klingt das nach verzweifelter Forderung. Tatsächlich entwickelt sie in ihren filmischen Arbeiten eine spekulative Zukunft oder "alternative Wirklichkeit". Mit einer gehörigen Prise Ironie – von der sich nie genau sagen lässt, wo sie in Ernst übergeht – knüpft die Künstlerin dabei immer wieder an Nationalsozialismus und Holocaust an, setzt aber vertraute Elemente entgegen gängiger Lesart und in oftmals traumartiger Manier neu zusammen.
Was gibt es zu sehen?
Die Bremer Ausstellung versammelt neben Neon-Schriftzügen, vor allem eine Reihe von Filmen der letzten Jahre. Der älteste (2010), ist die Animation des Bildes "Kriegskrüppel" von Otto Dix aus dem Jahr 1920. Es hat die Nazi-Säuberungsaktion 'Entartete Kunst' als Gemälde nicht überlebt, aber die Grafik existiert noch. Dieses Werk hat Yael Bartana zu ihrem Film "Entartete Kunst lebt" animiert. In einem schier endlosen Zug humpeln oder rollen die Figuren auf ihren Wägelchen über die Leinwand. Eine Art bissiger Triumph der Kunst über den NS-Vernichtungswillen.
Erstmals zu sehen ist in Bremen Bartanas jüngst in Brasilien gedrehter Film "Mir Zaynen Do!" ("Wir sind hier"). Im diffusen Halbdunkel eines heruntergekommenen Theatersaals führt sie darin zwei Gruppen zusammen, die die Erinnerung an ihre jeweilige Herkunfts-Kultur pflegen, aber kaum weitere Berührungspunkte haben: Ein Chor aus Holocaust-Überlebenden, beziehungsweise deren Nachkommen, sowie ein afro-brasilianisches Straßenmusikensemble, das die Kultur ehemaliger Sklaven pflegt.
Wie die Künstlerin Gesang und Rhythmus, Bild und Ton leicht asynchron mischt, erzeugt einen schwebenden, traumartigen Eindruck – positiver gestimmt als frühere Arbeiten. Dort findet sich häufig ein unbehagliches Spiel mit einer Bildsprache, wie man sie von Diktaturen kennt.
Bekannte Chiffren werden zitiert – und irritiert. So steht in Bartanas monumentaler Filminstallation "Malka Germania" eine androgyne Figur im Zentrum, die unter anderem auf einem Esel durchs Brandenburger Tor reitet wie der Messias, aber einen Patronengürtel trägt. Was diese Figur will, woher sie kommt, warum Soldaten mit israelischen Flaggen in den Straßen Berlins auftauchen und Straßenschilder mit hebräischen Namen überklebt werden, bleibt rätselhaft. Die Künstlerin spricht von einer "Methode der Mehrdeutigkeit".
Lohnt sich ein Besuch?
Unbedingt. Diese Mehrdeutigkeit verstrickt das Publikum in Fragen. Yael Bartana liefert keine Erklärungen. Wir müssen selbst herausfinden, was die Geschichte ist. Was sehen wir eigentlich? Und was genau ist das Verstörende daran? Die Antworten können in ganz verschiedene Richtungen führen. Zu empfehlen ist daher ein Ausstellungsbesuch in Begleitung – man hat hinterher eine Menge zu besprechen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 25. Mai 2024, 11:20 Uhr