Die Morgenandacht Rosen im Advent

Elisabeth Seydlitz
Elisabeth Seydlitz

Die Morgenandacht Rosen im Advent

Ein Adventsbesuch im Hospiz bei einer alten Freundin. Pastorin Elisabeth Seydlitz erzählt von einem Treffen, das sie besonders berührte.

Bild: Bremische Evangelische Kirche

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"Einen Strauß Rosen bitte. Bunte."
Ich bin auf dem Weg zu Tante Christel. Beim Blumenladen an der Ecke mache ich halt. Der Besuch heute wird anders sein als die davor. Denn Tante Christel ist seit längerem krank. Und nun steht fest: sie wird nicht mehr gesund werden. Seit ein paar Tagen wohnt sie deshalb im Hospiz. Es ist kalt draußen. Und windig. Ein ungemütlicher Nachmittag im Advent. Deshalb der bunte Blumenstrauß. Als kleiner Kontrast.

Mit Tante Christel bin ich nicht wirklich verwandt. Aber seitdem wir uns das erste Mal in unserer Kirchengemeinde begegnet sind, mögen wir einander. "Wie geht es dir, mein Kind?", hat sie mich oft gefragt, wenn sie mich sonntags gesehen hat. Und hat mir manchmal besorgt über die Wange gestrichen, wenn sie meinte, ich sei zu blass. Als unsere Tochter geboren wurde, radelte Tante Christel, schon weit über siebzig, quer durch die Stadt, um das Kind zu besuchen. "Weißt du, mit den Bussen kenne ich mich nicht aus." Und sie beschenkte uns mit einem Mützchen für das Neugeborene und selbstgemachter Marmelade für die Eltern.

Radfahren, stricken, einkochen kann sie schon lange nicht mehr. Sie ist oft müde und schwach. Und nun schwinden ihre Kräfte. Mit den Rosen in der Hand trete ich ein in das Hospiz. Aus dem geschäftigen Alltag hinein in die Ruhe einer anderen Welt. Hier ist es so, als würde die Zeit stehen bleiben. Friedlich. Still.

Tante Christel sitzt im Bett und lächelt mich an. "Wie schön, dass du gekommen bist." Ich stelle die Rosen so, dass sie sie sehen kann. "Wunderschön sind sie," freut sich sich. "So lebendig und frisch. Ganz anders als ich.", scherzt sie. Wir reden eine Weile, dann mache ich mich wieder auf den Weg. Zum Abschied drückt sie meine Hand. "Kindchen, sei nicht traurig. Ich weiß, wohin ich gehe. Und ich freue mich." In der Tür drehe ich mich noch einmal um. Sehe die bunten Blumen und ihr blasses Gesicht. Und mir ist, als ob Himmel und Erde sich berühren. Als streife ein Hauch der Ewigkeit die Gegenwart.
Tante Christel hebt die Hand und winkt mir zu. "Auf Wiedersehen", sagt sie leise. "Auf Wiedersehen!", antworte ich.

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