Die Morgenandacht Gott am Deich

Frank Mühring

Die Morgenandacht Gott am Deich

Wann und wo kann Mensch Gott treffen? Pastor Frank Mühring entdeckt, dass Gott überall zu finden sein kann.

Bild: Bremische Evanglische Kirche

Informationen zum Audio

Manche Menschen sind der Meinung, am Sonntag, so kurz vor zehn Uhr, komme Gott vorbei. Seine Stunde schlage immer dann, wenn die Kirchenglocken läuten. Dann, so glauben sie, mache sich Gott auf, um da zu sein. Um sich den Menschen zu zeigen, die in der Kirche auf ihn warten. Sonntags um zehn Uhr. Dann schwebt sein Geist um den Altar. Mindestens bis um elf Uhr, wenn das Orgelnachspiel verklungen ist. Dann verzieht sich Gott wieder ins Nirwana.

Ich denke da ganz anders. Für mich ist Gott auch außerhalb der Kirche unterwegs. Außerdem ist Gott ein Frühaufsteher, finde ich. Ich glaube, Gott zeigt sich am besten früh morgens, am Deich in der Dämmerung. Wenn die Nacht noch nicht ganz vorbei ist und der Tag noch nicht begonnen hat. Ich liebe diesen besonderen Augenblick. Wenn um mich herum die meisten Leute noch tief und fest schlafen, schnüre ich gern meine Joggingschuhe, verlasse das Haus und laufe los. Die Morgenluft ist frisch und kühl. Ich bin sofort wach und klar im Kopf. Am Deich sind noch keine Hunde mit Herrchen und Frauchen an der Leine unterwegs. Selbst die laute Autobahn in der Ferne klingt früh am Morgen ausgesprochen leise. Ich höre, wie der Wind in den Baumwipfeln rauscht und die Blätter bewegt. Ich habe Zeit, in mich hineinzuhören. Während ich mich Schritt für Schritt vorwärtsbewege, kann prima nachdenken und beten.

Was denkst du, Gott, eigentlich über diesen schlimmen Streit, der mich so beschäftigt. Wie ein fieses Wort das andere gab. Un-nötig, un-nötig quietschen meine Sohlen bei jedem Auftreten wie ein Echo von unten. Denkst du das auch, Gott? Und diese Hautgeschichte, die meine Gesundheit enorm beeinträchtigt. Wann wird es endlich damit besser werden? Wird-schon-wieder, wird-schon-wieder, scheinen die Gänse mir zuzurufen, die über mich hinwegfliegen. Während ich an den grünen Feldern vorbeikomme, frage ich mich: Ob hier in hundert Jahren wohl immer noch gesät und geerntet wird? Na klar, na klar, krächzt die Starenfamilie im Baumwipfel über mir. Das sind solche Momente, wo ich denke, genau jetzt ist Gott bei mir. Er hört mir zu beim Nachdenken und antwortet mir.

Nicht in jeder Vogelstimme kann ich Gott erkennen. Gedanklich kann ich ihn nicht selbst herbeizaubern. Nicht den Wecker nach ihm stellen. Gott stellt sich ein, wo und wann er will. Manchmal aber denke ich: Danke, Gott, dass du da bist. Und der Wind flüstert mir ins Ohr: Immerdar, immerdar. Ich halte dich, ich helfe dir. Wie sollte ich diese schöne Welt untergehen lassen? Plötzlich ist der kurze Moment der Nähe wieder vorbei. Das morgendliche Schweigen hat mich wieder. Aber danke, Gott, dass du da warst!

Autor/Autorin

  • Frank Mühring

Bremen Zwei Livestream & aktuelle Sendung.

Classical mit Christine Heuck

Classical

Jetzt läuft:

Alisa Amador feat. Madison Cunningham Heartless Author
  • Jetzt läuft:

    Alisa Amador feat. Madison Cunningham Heartless Author