Im Porträt "Ich muss keine kugelsichere Weste mehr tragen – das ist wunderbar!"
Standdatum: 17. September 2022.

Ganze 42 Jahre lang war Antonia Rados als Kriegs- und Krisenreporterin für RTL unterwegs. Unter anderem im Irak, im Jemen, im Iran und in Somalia. Mehr als 30 Mal war die 69-Jährige in Afghanistan und hat das Land gesehen, als es noch nicht vom Krieg zerstört war. "In den letzten 40 Jahren habe ich erlebt, was aus einem Paradies werden kann, wenn dort unentwegt Krieg ist." Nun hat Antonia Rados ihre Karriere als Reporterin beendet – und blickt als Sommergast von Bremen Zwei auf ein bewegtes Leben zurück.
Gesprächszeit "Ich dachte, er lässt mich gleich festnehmen" – Antonia Rados
Antonia Rados musste sich als junge Reporterin in der Männerwelt behaupten. Vor 42 Jahren traute man noch keiner Frau zu, in Kriegsgebiete zu reisen. Doch die damals 27-Jährige war mutig, frech und – wie sie selbst von sich sagt – auch ein bisschen trotzig.
Ihre Karriere begann mit einem Interview mit Jassir Arafat
Angefangen hat ihre Karriere 1980 während des Bürgerkriegs im Libanon. Antonia Rados schlug in einer Redaktionskonferenz vor, den Palästinenserchef Jassir Arafat zu interviewen, den man hinter einem Anschlag vermutete. "Ich war noch sehr unerfahren und habe leider schlechte Fragen gestellt", erzählt Antonia Rados im Interview mit Bremen-Zwei-Moderator Tom Grote. "Arafat antwortete sehr aggressiv und ich dachte: Jetzt lässt er mich gleich festnehmen". Aber es kam anders: Sie konnte das Interview zu Ende führen und kam selbstsicherer als zuvor zurück in ihre Redaktion. "Von da an habe ich mir abgewöhnt, zu glauben, das solche Interviews schwer zu kriegen sind".
Dank Gaddafi-Foto kam sie über die Grenze
Sie sollte recht behalten: Im Laufe der kommenden Jahre interviewte sie viele Autokraten, darunter Saddam Hussein, Muammar-al Gaddafi, Recep Tayyip Erdogan und Mahmud Ahmadinedschad. Wenn Antonia Rados von ihren Begegnungen mit diesen Männern erzählt, dann blickt sie zwar kritisch auf sie als Politiker, doch gleichzeitig wartet sie auch immer mit lustigen Anekdoten auf. So habe ein Foto, auf dem sie und Gaddafi zu sehen sind, ihr einst sehr geholfen, erzählt sie. Denn in Libyen wurde sie wenige Tage nach dem Interview mit dem Machthaber an der Grenze gestoppt und durfte nicht weiterfahren. Kurzerhand zog sie das Foto aus der Tasche und sagte: "I know him" – und schon ließ man sie passieren.
Folgen des Krieges darstellen – nicht den Krieg selbst
Ohnehin hört man der 69-Jährigen gerne zu, wenn sie auf ihre vier Jahrzehnte als Reporterin zurückblickt. Sie kennt die Länder, aus denen sie berichtet hat, wie kaum jemand anderes in der westlichen Welt. Ihr sei immer daran gelesen gewesen, die Folgen des Krieges darzustellen, weniger den Krieg selbst und dafür habe sie sehr viel mit den Menschen vor Ort gesprochen, sagt sie. Was sie in all den Jahren über Angst gelernt hat? "Dass sie nie aufhört."
Ich bin doch im Gegensatz zu den Menschen dort privilegiert – ich kann nach Europa zurück, das können die Menschen dort nicht.
Antonia Rados über die Erleichterung, wenn sie wieder sicheren Boden unter ihren Füßen hat
Deswegen seien ihre glücklichsten Momente auch immer die gewesen, wenn sie nach ihrem Einsatz in einem Kriegsgebiet in Europa gelandet ist, erzählt sie. Natürlich hat sie viel Leid gesehen. Doch auf die Frage, wie sie damit umgeht, sagt sie: "Ich bin doch im Gegensatz zu den Menschen dort privilegiert – ich kann nach Europa zurück, das können die Menschen dort nicht".
Sie wollte nie Kriegsreporterin werden
Wenn man ihr damals gesagt hätte, welche Karriere ihr bevorsteht, wäre sie entsetzt gewesen, erzählt die gebürtige Österreicherin bei Bremen Zwei. Denn eigentlich wollte sie nie Krisenreporterin werden, sondern lieber Korrespondentin in Washington, Paris oder Moskau. Doch damals war es für eine Frau unvorstellbar gewesen, aus dem Ausland zu berichten. Also musste sie in Länder reisen, die anderen zu gefährlich waren.
Ich bin eine glückliche Rentnerin!
Antonia Rados über die Tatsache, dass sie keine kugelsicheren Westen mehr tragen muss

Mit ihren Reportagen hat sie Preise abgeräumt, darunter den Deutschen Fernsehpreis und den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus. Ihre letzte Reportage hat sie in diesem Jahr in der Ukraine gemacht und sich dann aus der Medienwelt verabschiedet. "Ich bin eine glückliche Rentnerin", sagt sie "ich schlafe nicht mehr neben einem gepackten Koffer, muss nicht mehr nachts aufstehen, um die nächste Reise anzutreten und muss keine kugelsichere Weste mehr tragen – das ist wunderbar."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 17. September, 11:05 Uhr