Die Morgenandacht Ein Motto für das Jahr
Stand: 2. Januar 2024.
Die Morgenandacht Ein Motto für das Jahr
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"Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!" – Die Jahreslosung für 2024 klingt etwas rosarot-lieblich. Aber Pastorin Andrea Schneider erkennt auch eine sehr politische Dimension darin.
"Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!" Jetzt hängt sie wieder in Kirchen und Wohnzimmern. Sie prangt auf auf Kalenderblättern und Kaffeetassen, zuweilen etwas rosa-rot-kitschig. Gestern war sie Thema in vielen Neujahrsgottesdiensten – die ökumenische Jahreslosung 2024 aus dem ersten Brief von Paulus an die Christen in Korinth: "Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!" Anders als ihr Name vermuten lässt, wird die Jahreslosung nicht ausgelost. Aber "Losung" bedeutet ja auch: Leitwort, Motto. Und das biblische Motto 2024 lautet: Alles in Liebe! Die Jahreslosung wird immer in einer mehrtägigen Sitzung ausgewählt von der "Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen", kurz ÖAB. Jedes der 23 ÖAB-Mitglieder aus unterschiedlichen Kirchen und Verbänden darf hier zwei Vorschläge einbringen.
Wolfgang Baur, katholischer Theologe und Vorsitzender der ÖAB, hat mir erzählt,
wie intensiv darüber diskutiert wird: Welches Bibelwort kann ein starker geistlicher Impuls sein? Welches mag passen in einer Zeit, die noch drei Jahre weit entfernt liegt?
Bevor die Delegierten sich schließlich zwischen zwei Vorschlägen entscheiden, schlafen sie eine Nacht darüber. Vor der letzten Abstimmung unterbrechen sie das Gespräch und beten, denn – so Wolfgang Baur – die Jahreslosung soll nicht nur in demokratischer Diskussion errungen, sondern auch von Gottes Geist geschenkt sein.
Für 2024 stand am Ende das Wort aus dem 1.Korintherbrief in Konkurrenz zu einem Zitat aus dem Prophetenbuch Jesaja: "So spricht der Herr: Wahrt das Recht und übt Gerechtigkeit."
Eine Delegierte aus Polen hatte große Schwierigkeiten mit dem Jesaja-Wort.
Denn die Kurzbezeichnung für "Recht und Gerechtigkeit" heißt auf Polnisch PiS.
So wie die rechtsextreme Partei in Polen. Ausgerechnet die Partei,
die den Rechtsstaat untergraben will, nennt sich "Recht und Gerechtigkeit".
Der Klang der Worte ist für sie belastet, sagte die Christin aus Polen.
Die anderen Delegierten nahmen diesen Einspruch ernst.
Einmütig entschieden sie sich für: "Alles was ihr tut, geschehe in Liebe!"
Mag sein, dass im Gegensatz zur Forderung, Recht und Gerechtigkeit zu wahren,
dieses Wort von der Liebe etwas rosa-rot-harmlos wirkt. Aber das ist es keineswegs, meint auch Wolfgang Baur, z.B. wenn es um die Debatte über die Zahl von Geflüchteten in Deutschland geht: Bei allem Verständnis für Gefahren, Ängste und Belastungsgrenzen fordert es Christinnen und Christen auf, immer wieder die hilfesuchenden Menschen zu sehen und dafür einzustehen: Bei allem, was passiert – die Liebe muss eine Rolle spielen!
Ziemlich herausfordernd. Und ganz schön politisch, dieses Bibelwort für 2024.