Auf der Bühne Ein Stück über Identität und Fluchterfahrung

"Der Russe ist einer, der Birken liebt"

Autorin

Szenenbild Theater Bremen: "Der Russe ist einer, der Birken liebt"
Theaterszene, die in Frankfurt, in einer kleinen Wohnküche spielt. Bild: Jörg Landsberg

Der Russe ist einer, der Birken liebt – so heißt der erfolgreiche Debütroman von 2012 von Olga Grjasnowa. Genau wie ihre Romanheldin ist auch die Autorin Jüdin, stammt aus Aserbaidschan und musste in den 1990er Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland fliehen. In ihrem Roman geht es um Identität, Fluchterfahrungen und multikulturelle Gesellschaften. In Bremer Schulen ist der Roman in diesem Jahr sogar Abiturstoff, am Theater Bremen steht er jetzt auf dem Spielplan.

Im Mittelpunkt steht die Identitätssuche der Hauptfigur und Ich-Erzählerin, die 25-jährige Mascha. Sie ist angehende Dolmetscherin und spricht fünf Sprachen. Trotzdem fühlt sie sich manchmal sprachlos, vor allem, wenn es um traumatische Erinnerungen an den Bürgerkrieg in ihrer früheren Heimat Aserbaidschan geht. Auch an ihre Anfänge als Schulkind in Deutschland, nach der Flucht aus Aserbaidschan, hat sie wenig gute Erinnerungen.

Machas Verlust und Suche

Szenenbild Theater Bremen: "Der Russe ist einer, der Birken liebt"
Die neun Schauspielenden tanzen und musizieren auf der Bühne. Bild: Jörg Landsberg

Eine Schauspielerin stammt aus Aserbaidschan, ein anderer aus Sri Lanka, einer aus Russland. Italienisch, französisch, portugiesisch und englisch wird auch gesprochen, die Schauspielenden sind ähnlich divers wie Maschas Freundeskreis in Frankfurt. Allerdings verlässt Mascha später Deutschland, nachdem ihr Freund plötzlich stirbt. Sie geht nach Israel zu ihrer weitverzweigten jüdischen Verwandtschaft, um ihren Verlust zu verarbeiten und um sich selbst zu finden. Dabei wird sie auch mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt konfrontiert.

Nina Mattenklotz hat die Romanvorlage gekürzt, umgestellt und es wird gegendert. Aber Handlungsstrang und Text werden übernommen. Manche Szenen aus dem Roman werden nachgespielt, oft agieren die Darstellenden wie Erzähler. Alle neun sind ständig auf der Bühne präsent, spielen, tanzen und musizieren. Oder chillen einfach vor sich hin und beobachten die anderen bei deren Performance.

Frankfurt und Tel Aviv als Handlungsorte

Frankfurt wird als kleine Wohnküche mit Klavier dargestellt, daneben ein enges Badezimmer. Beides steht auf Rollen und kann schwungvoll hin und her geschoben werden. In der neuen deutschen Heimat ist Mascha offensichtlich nicht fest verankert. Im Hintergrund befindet sich eine Videoleinwand, auf der Livebilder übertragen werden. Sie zeigen die Darstellenden aus unterschiedlichen Perspektiven, übergroß oder in der Draufsicht, was durchaus für Intensität sorgt. Nach der Pause sind wir in Tel Aviv. Hier steht das Wort "Liebe" in hebräischer Sprache als gelber Leucht-Schriftzug über der Szenerie. Auf dem Boden liegen Steine, am Rand stapeln sich Pappkartons und Kisten. Alles wirkt vorläufig.

Eine bewegende, intensive und unterhaltsame Inszenierung

Szenenbild Theater Bremen: "Der Russe ist einer, der Birken liebt"
Theaterszene aus "Der Russe ist einer, der Birken liebt". Bild: Jörg Landsberg

Ein gewisser belehrender Gestus ist vorhanden. Denn die Inszenierung will die symbolische Macht von Sprache vorführen, Flucht, Krieg und Alltagsrassismus analysieren. Als Zuschauerin oder Zuschauer muss man damit leben, nicht wirklich etwas Neues über diese Gesellschaft zu erfahren. Schließlich stammt der Roman von 2012. Trotzdem gab es bewegend intensive Momente und auch unterhaltend witzige. Jorid Lukaczik überzeugte als Mascha, mit ihrem körperbetonten, temporeichen Spiel. Lisa Guth, Levin Hofmann, Alexander Swoboda und Simon Zigah hatten ebenfalls starke Auftritte. "Schade allerdings, dass solch ein Ensemble über weite Strecken nur aus einem Buch vorgetragen hat. So blieben die Möglichkeiten des Theaters zu oft ungenutzt", meint unsere Theaterkritikerin Christine Gorny.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 1. April 2023, 11:20 Uhr

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