Auf der Bühne Premiere mit viel Donner, Rauch und Theaterblut

Autorin

Szene mit Schauspielern, die zwischen Fensterrahmen sitzen
Das Stück "Leben und Schicksal" von Wassili Grossman spielt im Zweiten Weltkrieg. Bild: Theater Bremen | Jörg Landsberg

Bei dieser Premiere im Theater Bremen war ein langer Atem gefordert. In dreieinhalb Stunden wurde Wassili Grossmans Roman "Leben und Schicksal" auf die Bühne gebracht – eine deutsche Erstaufführung. Die Romanvorlage spielt im Zweiten Weltkrieg, rund um die Schlacht von Stalingrad.

"Leben und Schicksal" spielt an ganz unterschiedlichen Kriegsschauplätzen: An der Front bei Stalingrad, im kriegsgebeutelten Moskau, im jüdischen Ghetto in der Ukraine, im deutschen Konzentrationslager. Wassili Grossman verhandelt große moralische und politische Fragen, ohne die kleinen individuellen Schicksale aus den Augen zu verlieren.

Armin Petras inszeniert das Stück

Der Regisseur Armin Petras hat aus dem Roman mit 1000 Seiten eine Bühnenfassung destilliert und umgesetzt. Auch bei Petras steht die Familie des Physikers Victor Strum im Zentrum der Geschichte. Alle Figuren sind in ihrem Leben und in ihren Schicksalen miteinander verwoben. Als roter Faden taucht immer wieder die jüdische Mutter von Victor Strum auf, die ihren Abschiedsbrief an Victor vorträgt, kurz bevor sie von deutschen Soldaten ermordet wird. Die einzelnen Episoden des Stückes handeln von Liebe und Denunziation, von Heldentum und Angst, von Ideologie und Wahrheitssuche. Und das alles unter den Bedingungen der grausamen Schlacht von Stalingrad.

Brutaler Krieg auf der Bühne

Das Publikum erlebt Soldaten in ihren engen Stellungen unter Dauerbeschuss: Flackerlicht, Pulverdampf und immer wieder ohrenbetäubende Detonationen. Zusätzlich wird das Geschehen in schwarzweißen Videos auf der Bühne übertragen – mit Untertiteln, so dass es an die Social Media Postings von der heutigen Ukraine-Front erinnert. Realistisch und teilweise ziemlich blutig geht es auch in den Szenen zu, die im Konzentrationslager oder im sowjetischen Arbeitslager spielen.

Trinkende Soldaten und Soldatinnen auf der Bühne
Die Schauspieler Schrader, Yogarajan, Kuchenbuch, Swoboda und Enzler auf der Bühne. Bild: Theater Bremen | Jörg Landsberg

Das Bühnenbild ist flexibel und ermöglicht schnelle Orts- und Szenenwechsel. Im Hintergrund befindet sich eine große, drehbare zweigeschossige Konstruktion, die mal Unterstand an der Front war, mal Gefängniszelle und mal Baracke im Arbeitslager. Am Bühnenrand spielt ein Streicherduo, das die Handlung akustisch untermalt und atmosphärisch verdichtet. Wie bei Filmmusik hat das bestens funktioniert.

Anspruchsvoll und gut dargestellt

Robert Kuchenbuch auf der Bühne
Robert Kuchenbuch auf der Bühne. Bild: Theater Bremen | Jörg Landsberg

Die Auswahl des Stücks verdient ein dickes Lob. "Leben und Schicksal" ist keine simple Geschichtsstunde, sondern zeigt, wie böse der fanatische Glaube an das vermeintlich Gute enden kann. Und wie wichtig der Glaube an die menschliche Güte ist. Die Umsetzung dieses komplexen Romans für die Bühne ist gelungen. In seltenen Momenten wurde der Ton nicht ganz getroffen. Der Anruf Stalins beim Physikprofessor ist etwas zu klamaukig geraten.

Insgesamt haben die Schauspielenden überzeugt, zumal sie in ihren Mehrfachrollen ständig gefordert waren. Besonders herauszuheben ist das Spiel von Alexander Swoboda, Ferdinand Lehmann und Karin Enzler. Es ist kein leichter Stoff, aber es lohnt sich, sich diese dreieinhalb Stunden Zeit zu nehmen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 3. Oktober 2022, 10:40 Uhr

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Der Samstagmorgen mit Katrin Krämer

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