Frauengeschichte(n) aus unserer Region Wie sich eine 17-Jährige als Mann ausgab und gegen Napoleon kämpfte

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Ein in schwarz und weiß gemaltes Bild von Anna Lühring
Die Bremerin Anna Lühring war eine stolze Kämpferin. Bild: Staatsarchiv Bremen

Vor rund 200 Jahren wurde Bremen von französischen Truppen besetzt. Diese französische Herrschaft passte der Bevölkerung gar nicht. Im Frühjahr 1813 zogen viele junge Männer in den Kampf gegen die Franzosen. Mit dabei waren auch Frauen – wie die 17-jährige Bremerin Anna Lühring.

Ein in schwarz und weiß gemaltes Bild von Anna Lühring

Wie die Bremer Soldatin Anna Lühring eine Heldin wurde

Im Juli 1814 empfangen Menschen jubelnd Truppen in Berlin, die Napoleon im Befreiungskrieg geschlagen haben. Unter den Soldaten befindet sich auch eine 17-jährige Bremerin.

Bild: Staatsarchiv Bremen

Berlin, Juli 1814: Jubelnde Menschen empfangen Truppen in der preußischen Hauptstadt, die bei Paris Napoleon im Befreiungskrieg geschlagen haben. Auf den ersten Blick marschieren nur Männer ein. Doch unter ihnen befindet sich auch eine 17-jährige Bremerin. Anna Lühring hatte sich dem Kampf gegen die Franzosen angeschlossen – und sich dafür als Mann ausgegeben.

Anna Lühring wollte kämpfen

Geboren wurde Anna Lühring am 3. August 1796 als Johanne Lühring. Ihr Vater war Zimmermann und sie wuchs in einfachen Verhältnissen in der Bremer Neustadt auf. Als Anna 16 Jahre alt war, starb ihre Mutter. In dieser Zeit war Bremen bereits von den Franzosen besetzt und gehörte zum Departement Wesermünde. Die Stimmung in der Stadt war kämpferisch. Der Aufruf, sich für Vaterland einzusetzen, ging vor allem raus an die "Söhne Bremens". Frauen sollten zu der Zeit Spenden einsammeln. Aber das reichte Anna Lühring nicht. Sie wollte selber kämpfen.

"Anna Lühring gehörte zu den Frauen, die sich während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 den Freischärlern angeschlossen haben. (...) In allen Ländern, die von napoleonischen Truppen erobert worden sind, gab es solche Frauen", weiß Historikerin Romina Schmitter. Ein absolutes Tabu:

Als junge Frau riskierte sie, wenn sie sowas tat, zu den 'liederlichen Personen' zu gehören, die mit den Soldaten geschlafen haben. Das war ziemlich risikoreich und sie hatte dann keine Heiratschance mehr.

Eine Frau sitzt neben einem Bücherregal auf einem Sessel
Historikerin Romina Schmitter

Anna Lühring wollte davon nichts wissen. In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1814 stahl sie Kleidung ihres Bruders und zog los. Richtung Jülich im heutigen Nordrhein-Westfalen, um dort zum Lützower Freikorps zu stoßen. Durch das bewachte Stadttor konnte sie nicht, sie ging nachts über die zugefrorene kleine Weser.

Aus Anna Lühring wird der Soldat Eduard Kruse

Als sie das Freikorps fand, meldete Lühring sich als Eduard Kruse und ließ sich an der Waffe ausbilden. Kaum einer merkte, dass sie eigentlich Anna statt Eduard war. Die junge Frau war entschlossen und unerschrocken. "Das Milchgesicht ritt wie der Teufel", heißt es in späteren Zeitungsartikeln über ihr Leben.

Als ihre Kompanie wenige Wochen später auf dem Weg nach Paris war, erhielt der Hauptmann einen Brief: Vater Lühring schrieb, er sei auf der Suche nach seiner Tochter. Er vermute, sie habe sich bei den Lützowschen Jägern als Eduard eingeschlichen. Anna war aufgeflogen. "Der Hauptmann hat sie herzitiert und dann hat sie ihn gebeten, sie nicht zu verraten, sie bei der Truppe zu lassen. Er hat sie sogar aufgefordert, zu bleiben, weil sie sich so bewährt hatte, militärisch und auch von ihrem Verhalten her. Das wurde immer gelobt, ihr sittsames Verhalten", so Schmitter.

In diesen Ausnahmezeiten, da konnte man jeden gebrauchen.

Eine Frau sitzt neben einem Bücherregal auf einem Sessel
Historikerin Romina Schmitter

Dass Anna weiterkämpfen durfte, hatte auch mit der damaligen Stimmung zu tun, sagt die Historikerin: "Ganz Europa war von Napoleon besetzt, (...) es gab so eine Bewegung von nationaler Begeisterung. Vor diesem Hintergrund hat man auch verkraftet, dass sich einige Frauen diesen Truppen angeschlossen haben. In diesen Ausnahmezeiten, da konnte man jeden gebrauchen."

Die "hanseatische Jeanne d'Arc"

Zurück in Berlin wurde Anna nicht nur am Hof empfangen, sondern auch mit einer Kriegsmedaille ausgezeichnet. Ihren Vater beeindruckte das nicht: Er wollte die "Heldenjungfrau" – wie sie genannt wurde – nicht mehr bei sich aufnehmen. Erst 1815 gab er nach. Anna zog in Uniform begleitet von einer Ehrengarde in Bremen ein, im Ratskeller feierten die Stadtoberen ihren mutigen Einsatz.

EIne alte schwarz-weiß Fotographie von Anna Lühring
Anna Lühring starb 1866 verarmt in Hamburg. Bild: Staatsarchiv Bremen

Doch der Ruhm hielt nicht lange: Anna Lühring lebte mehr und mehr zurückgezogen in ihrem Elternhaus. Der Senat hatte ihr Geld versprochen. Das kam jahrelang nicht. Erst 1860 – sechs Jahre vor ihrem Tod – bekam Anna Lühring ihre jährliche Rente von 150 Goldgulden. Dafür dankte sie der Bremer Regierung. Anna Lühring starb am 25. August 1866 dennoch verarmt in Hamburg. Sie ist als "hanseatische Jeanne d'Arc" in die Bremer Geschichte eingegangen – eine die sich den Respekt der Kameraden, und der  Bremerinnen und Bremer erkämpft hat.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 23. Februar 2024, 13:40 Uhr

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