Neue Alben Popsongs, die nach Freiheit klingen
Standdatum: 4. November 2022.
Die Schwestern Johanna und Klara Söderberg alias "First Aid Kit" verzaubern auf ihrem neuen Album "Palomino" mit Songs, die nach Freiheit klingen. Und der Pianisten Víkingur Ólafsson mit einer musikalischen Hommage an sein Vorbild György Kurtág. Sophia Fischer und Harald Mönkedieck stellen unsere Alben der Woche vor.
1 Neue Songs vom musikalischen "Erste-Hilfe-Team"

Es gibt ein neues Album von "First Aid Kit". Dieses musikalische "Erste-Hilfe-Team", das sind die Schwestern Johanna und Klara Söderberg aus Schweden. "Palomino" haben sie im heimischen Stockholm aufgenommen.
Wie klingt's?
Mit einem lupenreinen Popsong eröffnen First Aid Kit ihr Album. Mehr Pop ist Programm. Geblieben sind die klaren Stimmen und die passionierte Haltung der Band. Bewusst reduziert wurde die folkige Roots-Anmutung der Vergangenheit. Wenn sie einmal auftaucht, wie im Song "Wild Horses II", dann ist sie sehr willkommen. Zumal es genau diese Sensibilität war, die die Schwestern immer beseelt und ihrer Musik emotionale Kraft gegeben hatte.
Warum hören?
"Palomino" ist zwar ein recht konventionelles Songwriter-Pop-Album, aber es kommt von zwei sympathischen Künstlerinnen. Sie bringen ihre Freiheitsträume von offenen Highways in ihre Songs ein. Das wilde "Palomino"-Pferd des Titelsongs scheint aber etwas eingefangen und gezähmt worden zu sein. Wer sich nicht daran stört, dass die für First Aid Kit sonst typischen Folk-Momente in den musikalischen Hintergrund getreten sind, kann sich an den weiterhin zauberhaften Harmoniegesängen der Schwestern auf erfreuen, die durchaus schwelgerische Popmomente entstehen lassen.
First Aid Kit: "Palomino"
2 Bewegende Reise durch Víkingur Ólafssons Vergangenheit

Für den 1984 in Reykjavík geborenen Pianisten Víkingur Ólafsson erfüllte sich im September 2021 ein Traum. Er durfte den Musiker treffen, der ihm sehr viel bedeutet: György Kurtág. Um sich für diese unglaubliche Begegnung mit dem damals 95-jährigen ungarischen Komponisten und Pianisten zu bedanken, wollte Víkingur Ólafsson Kurtág eigentlich einen Brief schreiben. Dann ist er aber doch am Klavier gelandet, und es ist ein neues Album entstanden. "From afar" heißt Ólafssons neues Werk.
Wie klingt's?
Sein neues Album hat Víkingur Ólafsson doppelt eingespielt: einmal ganz professionell am Flügel und ein zweites Mal an einem Klavier, das durch eine Filzdecke auf den Saiten gedämpft wird. Die Aufnahmen am Klavier wirken rauer, als die am Flügel. Es raschelt und ruckelt. Sogar Atmen ist zu hören. Fast als wäre man bei Víkingur Ólafsson zu Hause zu Besuch. Und obwohl die parallelen Einspielungen am Steinway-Flügel viel klarer klingen, sind es diese Unebenheiten der Klavier-Version, die den Pianisten nahbar machen. Auch die Stückauswahl ist persönlich. Víkingur Ólafsson spielt sich nicht nur durch die Musik-Epochen, sondern auch durch seine eigene musikalische Vergangenheit. Die Musik von Béla Bartók war ein Teil seiner Kindheit, genauso wie die Musik von György Kurtág. Und so ist es Kurtágs Komposition "Aus der Ferne", die dem Album seinen Namen gegeben hat und die außerordentliche Bewunderung Ólafsson für den ungarischen Musiker verdeutlicht.
Warum hören?
Das knappe Format von Kurtágs Werken ist für Víkingur Ólafsson keine Beschränkung. Im Gegenteil: Die komplexen Strukturen – so meint er – lassen der Fantasie viel Spielraum. Diesen Raum füllt Víkingur Ólafsson mit Leichtigkeit und ohne den Drang sich als Pianist beweisen zu müssen. Auf "From afar" nimmt er sich den Platz für ganz persönliche Erinnerungen.
Víkingur Ólafsson: "From Afar"
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 04. November 2022 08:36