Auf der Bühne Die "Heilige Johanna" als starke Kämpferin am Theater Bremen

Brechts "Heilige Johanna" als "heilige Greta" am Theater Bremen

Autorin

Schauspielerin im Stück "Die heilige Johanna der Schlachthöfe"
Die Schauspielerin Shirin Eissa. Bild: Theater Bremen | Jörg Landsberg

Berthold Brechts Krisenklassiker "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" hatte Premiere im Kleinen Haus des Theater Bremen. Brecht hat das Stück 1929/30 geschrieben, also zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise. Entsprechend stramm fällt seine Kritik an der kapitalistischen Leistungsgesellschaft aus. Die Regisseurin Alize Zandwijk hat das Stück aktuell anlackiert. Aber nicht dekonstruiert, wie das Theater Bremen das sonst mit Klassikern zu tun pflegt.

Schauplätze des Stücks sind Schlachthöfe und die Viehbörse in Chicago Anfang des 20. Jahrhunderts. Eine ausgesperrte und ausgebeutete Arbeiterschaft auf der einen Seite, profitbesessene, skrupellose Manager auf der anderen. Mittendrin die 25-jährige Johanna Dark, ein Mitglied der Heilsarmee. Sie will den Hunger der Arbeiterschaft mit Suppen und geistlicher Nahrung lindern. Aber als sie die Aussichtslosigkeit erkennt, fällt sie vom Glauben ab und träumt vom Klassenkampf. Allerdings versucht Johanna zunächst, mit dem Oberkapitalisten des Fleischmarktes Mauler zu verhandeln – für bessere Arbeitsbedingungen und gerechten Lohn. Doch ihre Kompromisssuche verhindert am Ende nur den geplanten Generalstreik. Sie scheitert als Vermittlerin, verelendet selbst und stirbt am Ende.

Johanna zwischen gierigen Managern und streikender Arbeiterschaft

Schauspielerin und Schauspieler im Stück "Die heilige Johanna der Schlachthöfe"
Shirin Eissa und der Schauspieler Levin Hoffmann mit Puppen auf der Bühne. Bild: Theater Bremen | Jörg Landsberg

Das Stück wurde gekürzt und dadurch zugespitzt – auf ein intensives Ringen zwischen der sozialbewegten Johanna und dem gierigen Fleischkönig Mauler, der sich von der moralisch reinen jungen Frau angezogen fühlt. Johanna wird eindrücklich gespielt von Shirin Eissa und Nadine Geyersbach verkörpert den Konzernchef Mauler grandios. Ansonsten ist das Personenaufgebot der Vorlage stark reduziert. Übrig bleiben Chicagos Fleischfabrikanten, die sich gegenseitig zerfleischen. Während alle Elends-Figuren aus der Arbeiterschaft mithilfe von Puppen dargestellt werden. Metergroße Handpuppen, geführt von den Schauspielenden. Entworfen und gebaut von den Geschwistern Geyersbach. Insgesamt also Brecht pur, inklusive Verfremdung.

Die Bühne als Handlungsraum der Kapitalisten

Ein Schreibtisch voller Telefone als Börsenecke, eine Sitzgruppe fürs Meeting und eine Rodeo-Maschine mit einem grinsenden Bullenkopf – dem Symbol für Spekulanten-Optimismus. Am linken Bühnenrand eine Drehtür, die den Reichen vorbehalten ist, mit Visa- und Mastercard-Aufkleber. Am rechten Bühnenrand eine Schwingtür, die nach draußen zu den Arbeitern führt, einer gemalten Menschenmasse auf neongelber Leinwand. Während es bei denen draußen schneit, wird drinnen gekokst. Die Kapitalisten in grauen Businessanzüge und blutroten Schuhen. Johanna trägt mal ein Kleid aus Demo-Transparenten, mal eine Fleischerschürze.

Schauspielerinnen im Stück "Die heilige Johanna der Schlachthöfe"
Nadine Geyersbach und Shirin Eissa. Bild: Theater Bremen | Jörg Landsberg

Eine intensive und kompromisslose Premiere

Einerseits ist es ein toller Theaterabend mit bemerkenswerten schauspielerischen Leistungen in sehr intensiven Szenen. Die Idee, Puppen einzusetzen ist originell und das Bühnenbild vielseitig. Andererseits ist es eine ziemliche politische Predigt, was das Brecht-Stück ja schon mit sich bringt. Die Bremer Inszenierung hat noch einen draufgelegt. Zum Schluss wird die tote Johanna hier in ein Transparent mit Greta Thunberg-Zitat gekleidet und so gewissermaßen zur "Heiligen Greta der Schulhöfe" gemacht. An das Publikum geht dann noch der Appell: "Tut was!" Insofern will diese Inszenierung das Publikum wohl weniger zufrieden stellen als vielmehr aktivieren. Es lohnt sich auf alle Fälle, hinzugehen. Auch wenn die kompromisslose Radikalität, die wahrscheinlich in unsere Zeit passt, etwas erschreckendes hat.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 10. September 2022, 09:20 Uhr

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