Im Porträt Warum diese Ukrainerin Borschtsch auf die Bühne bringt
Standdatum: 28. Februar 2023.
Natalie Shtefunyk ist Künstlerin und Unternehmerin. Ihr gehört das ukrainische Streetfood-Restaurant "Bab Maria" in der Markthalle Acht und im Frühjahr 2022 hat Shtefunyk ihr eigenes Stück "Heimatherz & Herzheimat – Wanderung durch zwei Kulturen" auf die Bühne gebracht. Im Januar ist es in der Shakespeare Company zu sehen.
Kochen spielt eine große Rolle in Natalie Shtefunyk Leben. Das hat sie von ihrer "Bab Maria" gelernt, ihrer ukrainischen Großmutter. In der Markthalle Acht in Bremen betreibt sie unter diesem Namen einen Streetfood-Stand mit Köstlichkeiten und traditionellen Gerichten aus der Ukraine. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist sie damit auch zu einer Stütze für ihre Landsleute geworden, die geflohen sind: "Es ist tatsächlich ein Treffpunkt geworden, wo viele Ukrainer kommen. Wir treffen uns, wir singen, wir weinen, wir helfen."
Solange drüben Krieg sein wird, werde ich weitermachen!
Natalie Shtefunyk über den Krieg in der Ukraine und ihr Engagement in Bremen
Das Handy auszuschalten und auch einmal durchzuatmen fällt Natalie Shtefunyk im Moment schwer: "Die Situation in der Ukraine beschäftigt mich rund um die Uhr." Als am 24. Februar 2022 die russische Armee die Ukraine angriff, hatte ihr Mann sie mit den Worten "Das Schlimmste hat angefangen" geweckt. Ihre Mutter, Cousinen, Nichten und Neffen leben in der Ukraine und seither telefoniert die Ukrainerin täglich mit ihnen. "Ich werde nie wieder so wie früher sein. Das hat mich verändert. Obwohl ich hier in Deutschland bin – mein Herz ist drüben. Jetzt gehört mein Herz der Ukraine", sagt Natalie Shtefunyk. Sie hat Spendengelder gesammelt, Transport-Logistik koordiniert, Benefizkonzerte gespielt und Koch-Aktionen auf die Beine gestellt: "Solange drüben Krieg sein wird, solange der Krieg nicht beendet wird und mein Volk wird endlich frei, werde ich und alle Menschen, die hier leben, weitermachen."
Vier Mütter fürs Leben
Geboren wurde Natalie Shtefunyk in der Bukowina in der Westukraine. Aufgewachsen ist sie in einem Frauen-Haushalt mit ihren "vier Müttern", wie sie ihre Familie beschreibt. Ihre Mutter, ihre Großmutter, ihre Urgroßmutter und ihre Großtante brachten der kleinen Natalie alles bei, was sie wussten. "Egal, welchen Beruf du später beherrschst – du muss gut kochen" – gab ihr Oma Maria, ihre "Bab Maria", mit auf den Weg. Gekocht wurde mit dem, was man im Garten angebaut hatte, für mehr reichte es oft nicht. "Und schon mit 13 durfte ich sie begeistern, wie ich gut Brot backe."
Als Gaststudentin nach Deutschland
Mit 17 beendete sie die Schule und studierte Wirtschaft. Im Studium bekam sie das erste Mal Kontakt zur Bühne. "Ich wollte unbedingt ein großer Star werden", lacht Shtefunyk heute. Sie sang und moderierte und genoss das Rampenlicht. Mit 21 Jahren hatte sie den Bachelor in der Tasche, wie so viele Ukrainerinnen und Ukrainer, die schon früh in den Job einsteigen. Dann wollte sie unbedingt ins Ausland – nach Bremen. "Ich wusste von Anfang an:, ich gehe nach Bremen zu den Bremer Stadtmusikanten. Als Gaststudentin hat das angefangen."
Ich war sofort verliebt in Bremen!
Natalie Shtefunyk über ihre Ankunft in Norddeutschland
Auch hier wollte sie zunächst Wirtschaft studieren, aber weil sie den Sprachtest nicht sofort bestand, wurden ihr als Gaststudentin bestimmte Fächer vorgeschrieben. Sie griff bei Informatik zu, in der Hoffnung ein bisschen Wirtschaftsinformatik zu lernen, obwohl sie sich nie zuvor mit Computern beschäftigt hatte. Ihrer Bremen-Liebe tat der holprige Studiumsstart aber keinen Abbruch: "Diese kalte, norddeutsche Luft hat mich total umgehauen. Ich war wirklich total beeindruckt. Ich war sofort verliebt in Bremen."
"Herzheimat & Heimatherz"
Natalie Shtefunyk zog das Studium durch und ist heute Systemingenieurin. Ihre künstlerische Seite trat in dieser Zeit etwas in den Hintergrund, inzwischen ist sie nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken. Während sie 2019 das "Bab Maria" gründete, probte sie parallel für das Stück "Mütter" am Theater Bremen. Auf der Bühne kochte sie Borschtsch: "Ein Erlebnis, das jedem von uns in Erinnerung bleiben wird. Eine magische Zeit", erinnert sie sich an die Inszenierung von Alize Zandwijk.
Inzwischen hat sie ihr eigenes Stück, einen musikalischen Abend mit dem Titel "Herzheimat & Heimatherz" auf die Bühne gebracht. Im Juli 2022 feierte das Stück mit Liedern, Gedichten und ihrem eigenen Bühnenbild Premiere: "In diesem Theaterstück habe ich den Weg einer Migrantin verarbeitet. Ich möchte zeigen: 'Ey, schau mal, wenn ich das geschafft habe, schaffst du das auch.'“
Ich bin da, wo ich sein wollte – und ich bin zuhause!
Natalie Shtefunyk über ihr Leben in Bremen
Am 6. Januar war das Stück in der Shakespeare Company zu sehen mit anschließendem Get-Together. Zwölf ukrainische Gerichte werden serviert und damit jeder kostenfrei kommen kann, hat Natalie Shtefunyk wieder Spendengelder eingesammelt. "Ich bin da, wo ich sein wollte – und ich bin zuhause", fasst sie ihr Leben heute in Bremen zusammen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 5. Dezember 2022, 18:05 Uhr