Frauengeschichte(n) aus unserer Region Diese Ostfriesin war Deutschlands erste Frauenärztin

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Porträt von Hermine Heusler-Edenhuizen
Hermine Heusler-Edenhuizen war die erste offiziell anerkannte und niedergelassene Frauenärztin in Deutschland. Bild: Hayo Prahm

Vor 120 Jahren durften nur wenige Frauen Medizin studieren, geschweige denn eine eigene Praxis aufmachen. Aber eine Frau aus der ostfriesischen Krummhörn hat genau das geschafft: Hermine Heusler-Edenhuizen.

Ein altes Foto von Hermine Heusler-Edenhuizen

Frauengeschichte(n) aus der Region: Die erste Frauenärztin

Vor 120 Jahren durften nur wenige Frauen Medizin studieren, oder eine eigene Praxis aufmachen. Hermine Heusler-Edenhuizen ging einen mutigen Weg – und schaffte beides.

Bild: Hayo Prahm

Jedes Mal, wenn die Ostfriesin den Hörsaal betritt, schlagen ihr laute Rufe entgegen. Die männlichen Kommilitonen halten wenig von einer Studienkollegin. Aber Hermine lässt sich nicht stoppen: 1903 schließt sie ihr Examen mit Auszeichnung ab und wird 1909 die erste niedergelassene Frauenärztin Deutschlands.

1872 wird Hermine Edenhuizen in der Nähe von Emden geboren, im ostfriesischen Pewsum – und damit weit weg von frauenrechtlichen Ideen, wie sie in ihrer Autobiografie Jahre später schreibt. Ihr Vater ist Arzt. Hermine ist ein wissbegieriges und aufgewecktes Mädchen. Das ändert sich, als sie mit 20 Jahren schwer krank wird. Sie gerät in eine Sinnkrise. Ihr Zufluchtsort wird eine Buchhandlung in Emden, weiß Hannelore Jürgler von der Gemeinde Krummhörn: "Sie war sehr belesen. Über eine Zeitschriften ist sie darauf gestoßen, dass Mädchen Abitur machen konnten."

Erste Hürde: Abitur

Die Kurse bietet die Frauenrechtlerin Helene Lange an. Hermine lernt nicht nur für die Abiturprüfung, sondern erfährt auch viel über die Frauenbewegung. Die Ideen motivieren sie, sagt Hannelore Jürgler: "Angetrieben hat sie mit Sicherheit die Ungerechtigkeiten zwischen Mann und Frau, die in der Zeit noch sehr deutlich waren. Ein emanzipatorischer Gedanke hat eine starke Rolle gespielt."

Schon die Zulassung zum Abitur wird zum Problem, wie Hermine Heusler-Edenhuizen später schreibt: "Weil sich an das Reifezeugnis konsequenterweise die Erlaubnis zum Universitätsstudium knüpfen musste, gab es große Diskussionen. Die Herren Abgeordneten fürchteten für die Familie, weil sie der Meinung waren, dass die Frau durch geistige Beschäftigung ihre Mutterfähigkeit verliere." Sie schafft trotzdem ihren Abschluss und will Ärztin werden.

Hörsaal der Charite um die Jahrhundertwende
Dass Frauen studieren dürfen, war nicht immer selbstverständlich. Früher dominierten Männer die Hörsäle. Bild: picture-alliance | Rolf Kremming

Steiniger Weg durch das Medizinstudium

Das Studium ist kompliziert, weil Frauen zu der Zeit nicht immatrikuliert werden. Sie wird nur als Gasthörerinnen geduldet. Und damals kann jeder Dozenten entscheiden, ob er Frauen zu den Vorlesungen zulässt – oder nicht. Sie hält durch. Bei ihrer Abschlussprüfung schiebt ihr ein Professor bei einer simulierten Geburt ein viel zu großes Kind unter – Hermine muss so heftig an der Puppe ziehen, dass sie gegen eine Wand fliegt. Die Kollegen glauben, Frauen seien zu dumm und zu schwach, um bei Geburten zu helfen. Hermine zweifelt: "Sollten wir Frauen doch nicht Kräfte genug haben? Sollte alles Illusion sein?"

Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, benötigen keine strafende Faust, sondern eine helfende Hand.

Hermine Heusler-Edenhuizen

Sie macht ihren Abschluss mit Auszeichnung, gründet erst eine eigenständige Praxis für Frauenheilkunde in Köln und dann in Berlin. Viele Patientinnen sind froh, sich einer Frau anvertrauen zu können. Sie führt zwar eine Privatpraxis, setzt sich aber für alle Frauen ein. So fordert sie kostenlose Verhütungsmittel, macht sich für Schwangerschafts- und Rückbildungsgymnastik stark und forscht über das Kindbettfieber. Und: Sie fordert, dass Frauen straffrei abtreiben dürfen. Denn Hermine Heusler-Edenhuizen sagt: "Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, benötigen keine strafende Faust, sondern eine helfende Hand."

Eine starke, unabhängige Frau

1924 ist sie Gründungsmitglied des Deutschen Ärztinnenbundes, den es bis heute gibt. Die Ärtztin will, das weibliche Medizinerinnen sich vernetzen und weiterbilden können. All das setzt sie mit einer sehr starken Persönlichkeit durch, sagt Hannelore Jürgler: "Sie war mit Sicherheit keine Frau, die sich etwas sagen ließ. Sie muss sehr rechthaberisch gewesen sein, sehr standhaft und mit Sicherheit keine Frau, die sich unterdrücken ließ – im Gegenteil!"

Hermine Heusler-Edenhuizen und Otto Heusler
Hermine Heusler-Edenhuizen und ihr Ehemann Otto Heusler. Bild: Hayo Prahm

Auch ihre Ehe ist ungewöhnlich: 1912 heiratet sie Otto Heusler. Er lässt sich für sie scheiden, ein Skandal zu dieser Zeit. Und Hermine hat klare Regeln, bevor sie "Ja" sagt: "Sie hat ihn nur unter der Bedingung geheiratet, dass er sich vertraglich dazu verpflichtet, ihr nie in ihre berufliche Tätigkeit reinzureden, sondern sie frei ist, ihre berufliche Tätigkeit auszuüben und selbst über ihr Geld zu bestimmen", so Jürgler.

Hermine arbeitet bis weit in ihre Sechziger – auch während der Nazizeit. Sie versucht immer wieder jüdischen Patientinnen und ihren Familien zu helfen. Von den Nazis bleibt sie weitgehend unbehelligt, weil viele Frauen der Parteigrößen von ihr behandelt werden. 1937 geht sie in den Ruhestand, 1955 stirbt sie in Berlin.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 15. Oktober 2022, 13:40 Uhr

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Gesprächszeit mit Hilke Theessen

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