Im Porträt Wie dieser Journalist sich für afghanische Ortskräfte einsetzt

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Porträt von Salim Sadat
Der Journalist Salim Sadat berichtet über das Schicksal afghanischer Ortskräfte. Bild: Salim Sadat

Vor einem Jahr berichtete Salim Sadat von einem gefährlichen Ort: Kurz vor der Machtübernahme der Taliban war er in Afghanistan. Die Bundeswehr war teilweise schon abgezogen. Der Journalist wollte wissen: Wie geht die deutsche Regierung mit den Ortskräften um, sobald die Bundeswehr das Land verlässt?

Porträt von Salim Sadat

"Die Ortskräfte werden zwischen den Fronten zerrieben" –Salim Sadat

Vor einem Jahr berichtete der Journalist Salim Sadat aus Afghanistan über die Situation der Ortskräfte, kurz bevor die Bundeswehr komplett abgezogen war.

Bild: Salim Sadat

Vor zwei Jahren war der Journalist Salim Sadat erstmals in Afghanistan und traf dort Ortskräfte, die für die Bundeswehr gearbeitet haben. Sie hatten schon damals große Angst davor, dass das Land wieder in die Hände der Taliban fällt. Vor einem Jahr ist genau das passiert. "Und als dann im April 2021 der Abzug aller Truppen aus Afghanistan verkündet wurde, war mir sofort klar: Die Ortskräfte werden die sein, die zwischen den Fronten zerrieben werden. Und die werden auch vergessen", erzählt Salim Sadat. Für ihn war 2021 ein besonders prägendes Jahr.

Gefährliche Reise vor der Machtübernahme

Im Juli 2021 reiste der Journalist mit einer Frage nach Afghanistan: "Wie geht die deutsche Regierung mit den Ortskräften um, wenn die Bundeswehr das Land am Hindukusch endgültig verlässt?" Die meisten Soldaten waren bereits weg, die Sicherheitslage hochbrisant. Doch weil Salim Sadats Bruder für eine Nichtregierungsorganisation (NGO) in Afghanistan tätig war, konnte er vor Ort recherchieren. So entstand die Reportage: "Die Taliban erobern Afghanistan: Lassen wir unsere Helfer im Stich?".

Ich hatte große Sorge um den Mann, den wir begleitet hatten für die Recherche, um das Team, das mit mir zusammengearbeitet hat.

Salim Sadat über die Situation in Kabul im Sommer 2021

Am 15. August 2021 passierte es: Die Taliban nahmen Kabul ein und waren zurück an der Macht. Salim Sadat war gerade im Urlaub als er die Nachricht erhielt. Sofort schaltete er in den Handlungsmodus um. Zum Glück besitzt Salim Sadats Bruder einen deutschen Pass. Er würde das Land verlassen können, doch was passiert jetzt mit anderen? "Ich hatte große Sorge um den Mann, den wir begleitet hatten für die Recherche, um das Team, das mit mir zusammengearbeitet hat. Das waren ja auch alles Ortskräfte und die waren auch in heller Aufregung und riefen mich an."

Auf eigene Faust nach Pakistan

Wie kommt man auf eine Evakuierungsliste? Wer nicht direkt unter Vertrag bei der Bundeswehr oder der deutschen Botschaft stand, wurde als "nicht gefährdet" eingestuft. Aber die Gefahr war da. Rund um die Uhr beschäftigte sich Salim Sadat mit Evakuierungsmöglichkeiten für vier Ortskräfte und ihre Familien. Für die 14 Personen besorgte er diplomatische Unterlagen beim Auswärtigen Amt und einen Transport nach Pakistan. Zusammen schafften sie es über die Grenze. Diese Geschichte hat Salim Sadat auch im Podcast des Reportage-Formats "Y-Kolletiv" erzählt. Ihm ist bewusst, dass er in dieser Situation kein neutraler Beobachter mehr war, sondern selbst ein Teil der Geschichte, aber: "Es hat sich nicht falsch angefühlt, das zu machen, ihnen zu helfen. Und ich würde es auch jederzeit wieder tun."

Mit dem Thema Flucht beschäftige ich mich schon mein ganzes Leben. Seit ich ein Kind bin, bin ich mit dem Wort vertraut.

Salim Sadats Familie floh 1989 aus Afghanistan.

Salim Sadat hat selbst eine Fluchtgeschichte: 1989 floh seine Familie aus Afghanistan. Die Sowjets verließen das Land, ein Bürgerkrieg brach aus, in Kabul schlugen täglich Raketen ein. Die Familie floh nach Indien, dann nach Pakistan und schließlich nach Deutschland. Niemand wollte für immer weg, aber eine Rückkehr in das Heimatland blieb ausgeschlossen. Salim Sadat ist auf der Flucht geboren, mit drei Jahren kam er nach Deutschland. Die ersten zehn Jahre waren sehr hart für die Familie, sagt er: Die Sprache musste gelernt werden, die Kinder sollten Abitur machen und über allem schwebte die Sorge um den Ausgang des Asylantrags. "Mit dem Thema Flucht beschäftige ich mich schon mein ganzes Leben", so der 32-Jährige heute. "Seit ich ein Kind bin, bin ich mit dem Wort und mit der Thematik vertraut und aus meinem Leben ist das nicht wegzudenken."

Ich weiß nicht, ob ich das noch erleben werde, dass es mal in Afghanistan Frieden gibt.

Salim Sadat über die Zukunft Afghanistans

Als Journalist zieht es ihn zurück nach Südostasien. Salim Sadat lebt derzeit in Neu-Delhi, Indien. Doch sein Hauptinteresse gilt Afghanistan, allerdings sieht er kaum eine Zukunft für das Land: "Ich muss sagen, dass ich meine Wünsche für Afghanistan begraben habe. Ich sehe wenig Hoffnung für nachhaltige Veränderung. Ich weiß nicht, ob ich das noch erleben werde, dass es mal in Afghanistan Frieden gibt."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 11. August 2022, 18:05 Uhr

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