Die regionale Reportage Die Geschichte des Mändelchen-Puddings aus dem ostfriesischen Weener

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Polak Mändelchen-Pudding aus Weener
Mändelchen-Pudding ist in vielen Supermärkten noch immer ein Klassiker im Regal. Ursprünglich kommt er aus Weener in Ostfriesland. Bild: Radio Bremen | Kristin Hunfeld

Der Mändelchen-Pudding von Polak ist ein Klassiker, der in seiner rot-gelben Verpackung noch heute in deutschen Supermärkten zu finden ist. Ursprünglich kommt das Pulver aus dem ostfriesischen Städtchen Weener. Dort wurde es einst in der Polak-Fabrik produziert, einem Familienunternehmen in jüdischem Besitz. Kristin Hunfeld hat sich auf Spurensuche begeben – und die beginnt im Hier und Jetzt.

Pudding- und Tortengusspäkchen aus Weener

Ein Pudding-Klassiker aus Weener

Bis heute ist er im Supermarktregal zu finden: Polaks Mändelchen-Pudding. Die Geschichte der Fabrik in Weener in Ostfriesland beginnt Anfang des 20 Jahrhunderts.

Bild: Radio Bremen | Kristin Hunfeld

 

Die Auswahl ist groß am Pudding-Regal in einem Oldenburger Supermarkt. Auch zu finden: das leuchtend rot-gelbe Päckchen mit Polak Mändelchen-Pudding. Marktleiter Christoph Brinkmann sagt, es gebe noch immer eine Stammkundschaft für den Artikel, der schon Jahrzehnte im Programm ist. "Der Großteil der Leute ist etwas älter", so Brinkmann.

Heutzutage wird der Mändelchen-Pudding vom Quakenbrücker Unternehmen Ruf hergestellt. Auf der Website heißt es: "Der berühmte Pudding aus Weener" und: "Wer gerne in alten Zeiten und seiner Kindheit schwelgt, der kommt an Mändelchen wohl nicht vorbei." Was es mit dem Namen Polak auf sich hat, erfährt man allerdings nicht.

Ganz Weener hat nach Polaks Pudding gerochen.

Albrecht Weinberg erinnert sich an seine Kindheit

Im ostfriesischen Weener steht sie noch, die alte Pudding-Fabrik. Mittlerweile heruntergekommen, doch immer noch imposant. Einer, der sich an frühere Zeiten erinnert, ist Franz Marheineke aus Weener. Er war in den 1930er-Jahren ein Kind. "Wir haben zum Muttertag meiner Mutter immer ein Päckchen Polak Pudding geschenkt. Und zu Polaks sind wir als Kinder zu Sankt Martin, da gab’s für jedes Kind ein Päckchen Pudding."

Ehemalige Pudding-Fabrik in Weener
Die alte Pudding-Fabrik in Weener eröffente 1918. Bis 1997 wurde hier Puddingpulver hergestellt. Bild: Radio Bremen | Kristin Hunfeld

Auch Albrecht Weinberg erinnert sich gerne an Polaks Pudding. Der 96-Jährige lebte in den 1930ern in der Nähe von Weener in Rhauderfehn – und besuchte dort regelmäßig seine Großmutter. "Ganz Weener hat nach Polaks Pudding gerochen – und dann gab's den auch zum Nachtisch mit ein bisschen Himbeersaft drauf." Als jüdischer Junge war seine Kindheit sonst geprägt von Bedrohung und Ausgrenzung. Später überlebte er die Konzentrationslager in Auschwitz und Bergen-Belsen. Doch an seine Besuche bei Oma erinnert er sich gern.

Auch die jüdische Unternehmer-Familie Polak rissen Krieg, Vernichtung und Flucht auseinander. Ursprünglich kamen die Pudding-Hersteller aus den Niederlanden; sie vertrieben dort schon seit 1899 ihren Mandelpudding. 1912 dann bauten Abraham Joseph Polak und sein Sohn Moritz Polak ein Auslieferungslager mit Packstation in Weener. Das erzählt die Historikerin und Judaistin Juliane Irma Mihan. 1918 wurde die Fabrik in der Bahnhofsstraße eröffnet.

Enteignung durch die Nazis

Moritz Polak war 1921 gestorben, sein Vater Abraham Joseph zwei Jahre später. Die Geschäftsleitung in Weener hatten schon seit 1920 Moritz Polaks Schwager Samuel de Vries und der Kaufmann Wiard Popkes inne.

Samuel de Vries, der wie die Polaks Jude war, musste die Firma 1936 verlassen. Historikerin Mihan sagt dazu: "Wie man sich ja denken kann, ist die Firma Ende der 1930er-Jahre nicht mehr in jüdischer Hand gewesen." 1940 erwarb die Familie Popkes alle Anteile, ihr allein gehörte jetzt die Fabrik in Weener. Auch die Groninger Fabrik der Polaks kam unter deutsche Leitung.

Pudding- und Tortengusspäkchen aus Weener
Diese Produkte kamen aus der Puddingfabrik in Weener. Bild: Radio Bremen | Kristin Hunfeld

1943 wurden drei Enkelkinder und die beiden Schwiegertöchter des Firmengründers Abraham Joseph Polak in Auschwitz ermordet. Das Fabrikgebäude in Weener wurde im April 1945 durch kanadische Artillerie zerstört und dann nach dem Krieg wieder aufgebaut. Schon bald wurde hier wieder Pudding hergestellt.

Name über Jahrzehnte unverändert

Auch Franz Marheineke arbeitete in den Nachkriegsjahren bei Polak. Er war dort Betriebsmaler. Damals arbeiteten rund hundert Frauen im Betrieb, erzählt er. Etwa genauso viele Vertreter verkauften in Deutschland und im benachbarten Ausland den Pudding.

Unter verschiedenen Besitzern wurden bis 1997 im ostfriesischen Weener Pudding und andere Polak-Produkte produziert. Die Besitzer hießen zwar längst nicht mehr Polak – doch der Mändelchen-Pudding behielt seinen Namen. Bis heute.

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Gesprächszeit mit Nicole Ritterbusch

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