Im Porträt So half dieser Bestatter nach dem Erdbeben in der Türkei

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Fritz Mertens-Ahrens
Fritz Mertens-Ahrens Bild: Radio Bremen | Jana Wagner

Fritz Mertens-Ahrens ist Bestatter in Bremen und ist im Februar in die Türkei gereist, nachdem dort und in Syrien die Erde gebebt hatte. Im Erdbebengebiet hat er geholfen, Tote aus den den Trümmern zu bergen, sie wieder herzurichten und zu beerdigen.

Fritz Mertens-Ahrens
Fritz Mertens-Ahrens

Gesprächszeit "Manche sahen sehr entstellt aus" – Fritz Mertens-Ahrens

Der Bremer Bestatter Fritz Mertens-Ahrens ist im Februar in die Türkei gereist. Im Erdbebengebiet hat er Tote aus den Trümmern geborgen, um sie zu beerdigen.

Bild: Radio Bremen | Jana Wagner

Fritz Mertens-Ahrens ist schon als Kind mit Verstorbenen in Berührung gekommen. Als Sohn eines Bestatters half er im Unternehmen mit und fand den Umgang mit Toten ganz natürlich. An seinen ersten Verstorbenen kann er sich nicht mehr erinnern – wohl aber an den, den er als Kind seinem bestem Freund gezeigt hatte. "Als Kind hat man ja Flausen im Kopf und dann bin ich mit ihm bei uns im Keller gewesen. So ganz typisch wie man es aus dem Fernsehen kennt." Der Freund erschrak sich und rannte schreiend weg, während der kleine Fritz feixte. "Einmal im Jahr kommt diese Geschichte wieder auf und wir können immer noch herzlich darüber lachen", erinnert er sich schmunzelnd.

Wir werden oft als Totengräber bezeichnet – und das sind wir nun mal gar nicht!

Fritz Mertens-Ahrens über Bestatter-Klischees

Blass, alt, schwarz-weiß gekleidet, bittere Miene – mit diesen hartnäckigen Bestatter-Klischees muss Fritz Mertens-Ahrens immer wieder aufräumen. "Und vor allen Dingen: Wir werden oft als Totengräber bezeichnet – und das wir sind nun mal gar nicht", so der 38-jährige Bremer. Es hat sich viel verändert, sagt er. Wo früher oft nur der Sarg schlicht aufgebahrt war, werden heute Tücher ausgelegt und Kerzen aufgestellt. Freie Rednerinnen und Redner ersetzen immer häufiger Pastoren und statt Orgelmusik gibt es die eigene Trauer-Playlist aus der Bluetooth-Box.

Trauern darf jeder wie er will

In seinem Job trifft er oft auf Berührungsängste mit dem Thema Tod. Oft, sagt er, hat er im Haus der Angehörigen Kinder angetroffen, die bei der Trauerfeier dann gefehlt haben. "Dann spreche ich das auch schon mal an", so Mertens-Ahrens. "Und dann stelle ich immer die Behauptung auf: 'Sie sind damals auch nicht mitgenommen worden, oder?' Und dann gucken die mich ganz verdutzt an und sagen: 'Nee, ich bin damals bei Opa oder Oma auch nicht mitgekommen.' Das hat man damals so gemacht." Dabei verstehen Kinder oft mehr als man meint, so der Bestatter, gehen spielerisch mit dem Tod um und lockern die Atmosphäre auch oft auf. Überrascht war er selbst einmal, als er zu einer geselligen Gruppe von Angehörigen kam, die scheinbar gar nicht getrauert hatte. Doch dann erfuhr er, dass der Verstorbene erkrankt und noch ziemlich jung gewesen war. Die Angehörigen waren einfach glücklich, dass er nicht lange leiden musste und es "geschafft" hatte. 

Ein Mann in Arbeitskleidung steht auf einem Schuttberg.
In der Türkei hat Fritz Mertens-Ahrens nicht nur bestattet, sondern auch bei der Bergung geholfen. Bild: Deathcare Embalmingteam Germany e. V.

Einsatz im Erdbebengebiet

Anfang 2023 ist Fritz Mertens-Ahrens mit der Organisation "Deathcare", die Verstorbene in Katastrophengebieten versorgt, in die Türkei gereist. Ein schweres Erdbeben hatte ganze Landstriche zerstört und zehntausende Menschen unter Trümmern begraben. Fast 57.000 Tote wurden gezählt und der Bremer sah 18-stöckige Häuser, die auf nur zwei Etagen zusammengestürzt waren. "Wir haben uns darum gekümmert, die Verstorbenen ansehnlich zu machen, sie zu desinfizieren, sie teilweise zu rekonstruieren, dass man die Gesichter erkennen konnte. Manche waren gar nicht schlimm verletzt, manche sahen sehr entstellt aus."

Da haben wir gesagt "Jetzt ist Feierabend für heute" und haben mit dem Funkgerät Verstärkung gerufen.

Fritz Mertens-Ahrens über seinen schlimmsten Tag im Erdbebengebiet in der Türkei

Schnell war klar, dass überall Rettungskräfte fehlten, so dass sein Team sich dann entschloss auch bei der Bergung mitzuhelfen. "Wir haben dann irgendwann doch in der Baggerschaufel gestanden und haben uns quasi in so ein Kellerloch reinheben lassen." Besonders schwierig war für ihn die Bergung von Kinderleichen. Der Bremer ist selbst Vater und musste an einem Tag 13 Kinder und zwei Erwachsene bergen. "Da haben wir gesagt, jetzt ist Feierabend für heute und haben mit dem Funkgerät Verstärkung gerufen."

"Ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie gemacht hätte." – Das ist für uns das tollste Lob!

Fritz Mertens-Ahrens über seinen Alltag als Bestatter

Dass er seinen Eltern einmal ins Gewerbe folgt, war für Fritz Mertens-Ahrens immer klar. "Ich mag unheimlich gerne die Begleitung der Angehörigen, sei es auf dem Friedhof, oder bei der Beratung. Oder wenn man Überführungen fährt. Man ist Zuhörer, man ist Handwerker, man ist Dekorateur, man ist gestalterisch tätig bei Traueranzeigen und Trauerbriefen." Der 38-Jährige spricht dabei viel lieber von Verstorbenen als von Toten und legt viel Wert auf den persönlichen Umgang mit seinen Kundinnen und Kunden. Viele kommen nach der Beerdigung noch mal mit einer überraschenden Umarmung auf ihn zu: "Es ist einfach schön, wenn die Angehörigen später sagen: 'Ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie gemacht hätte.' Das ist für uns das tollste Lob!“ Er selbst hat übrigens keine Angst vor dem Tod: "Ich habe für mich die schöne Vorstellung, dass das hier nicht das Ende ist. Sondern dass irgendwann der Zentralbahnhof kommen wird, nachdem wir unsere Reise auf der Erde beendet haben, und uns dann wiedersehen und da was ganz Tolles, Neues auf uns wartet."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 24. April 2023, 18:05 Uhr

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