Frauengeschichte(n) aus unserer Region Wie Käthe Popall als erste Bremer Senatorin Geschichte geschrieben hat

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Porträt Käthe Popall
Käthe Popall stammt aus einer Bremer Arbeiterfamilie und war nach dem Zweiten Weltkrieg die erste Senatorin in Bremen. Bild: Staatsarchiv Bremen

Politisch engagiert, als Kommunistin im Widerstand, von der Gestapo verhaftet – und die erste Frau im Bremer Senat: Käthe Popall hat Geschichte geschrieben. Bremen-Zwei-Reporterin Lisa-Maria Röhling stellt sie in unserer Reihe "Frauengeschichten aus der Region" vor.

Porträt Käthe Popall

Käthe Popall, erste Frau im Bremer Senat

Die Bremer Kommunistin Käthe Popall war die erste Frau in einem politischen Spitzenamt: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie Senatorin in Bremen.

Bild: Staatsarchiv Bremen

Käthe Popall wurde als Käthe Fürst in einem Bremer Arbeiterhaushalt geboren. Ihre Leidenschaft für Politik entdeckt sie früh, sagt Rebecca Gefken vom Belladonna-Frauenarchiv in Bremen. Bereits als junge Frau engagiert sie sich politisch in einer Jugendorganisation, später wird sie Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Sie wird in die Bremische Bürgerschaft gewählt, aber nach kurzer Zeit von der Partei abgezogen. Denn Käthe Popall soll in der Sowjetunion ausgebildet werden. Sie geht nach Moskau, um die Internationale Lenin-Schule und einen Lehrgang für junge Kommunisten zu besuchen.

Von den Nazis verhaftet

1933 kommen die Nationalsozialisten an die Macht, die KPD wird verboten. Käthe Popall geht mit zahlreichen anderen Kommunisten in den Untergrund. Zwei Jahre arbeitet sie im Widerstand in Berlin. Dann fliegt die Gruppe 1935 auf; auch die 28-jährige Käthe Popall wird von der Gestapo festgenommen.

Es folgen quälende Verhöre, wie sie später in ihren Aufzeichnungen berichtet. Zwei Jahre sitzt Popall in einem Frauengefängnis in Untersuchungshaft. Die Zeit zehrt an ihr: "Bei mir war Tag und Nacht Licht, weil sie wohl glaubten, sie könnten noch sehr viel mit mir anfangen. Und, damit ich mein Leben nicht selbst beende. Man konnte vor Aufregung nicht schlafen. Ich habe immer gezittert bei der Vernehmung mit dem Untersuchungsleiter."

Man muss alles mit sich allein abmachen. Und das ist das Schlimmste, was es gibt.

Käthe Popall über ihre Einsamkeit in der Einzelhaft.

Käthe Popall wird zu zwölf Jahren Zuchthaus wegen Landesverrat verurteilt. Sie sitzt lange in Einzelhaft, darf nicht lesen, bekommt keine Briefe. Das Alleinsein quält sie, schreibt sie später. "Man muss alles mit sich allein abmachen. Und das ist das Schlimmste, was es gibt."

Obwohl es für sie lebensgefährlich ist, beschwert sie sich immer wieder über die schlechten Haftbedingungen. Kurz vor dem Kriegsende wird sie nach Schlesien verlegt. Als die Rote Armee näherrückt, werden die Gefangenen auf einen Marsch Richtung Westen gezwungen – ohne Mantel, in Holzschuhen, über eisige Straßen. Der Trupp kommt irgendwann im sächsischen Waldhaim an. Dort sind schon Gruben ausgehoben, die politischen Gefangenen sollen erschossen werden. Käthe Popall erinnert sich später: "Wir wussten nicht, kommt die SS und legt uns alle um? Oder kommen die Amerikaner, oder kommen die Russen? Dann hörten wir auf dem Flur Laufschritte, die Tür wurde aufgesperrt und es kam ein Rotarmist und rief: 'Frei!'"

So enden für Käthe Popall zehrende Jahre der Gefangenschaft. Über diese Zeit sagte sie einmal: "Wenn man überzeugt ist von einer Sache, dann hält man es auch für selbstverständlich, dass man sich dafür einsetzt. Wir haben uns an Kleinigkeiten irgendwie aufgerichtet und aufrichten können."

Neuanfang nach der Gefangenschaft

Der Bremer Senat mit Käthe Popall
Käthe Popall war die erste Senatorin in Bremen. Bild: Staatsarchiv Bremen

Der Krieg ist zu Ende und Käthe Popall läuft von Sachsen zu Fuß nach Bremen. Ihr erster Weg führt in die KPD-Parteizentrale. Sie will wieder aktiv werden, gründet zusammen mit anderen Frauen den überparteilichen Bremer Frauenausschuss, der bis heute aktiv ist. Sie macht sich für Gesundheitspolitik stark und wird im August 1946 mit 38 Jahren zunächst Gesundheitssenatorin. Als Frau und Kommunistin hat sie es schwer, ernst genommen zu werden. Bürgermeister Wilhelm Kaisen gibt ihr schließlich das Flüchtlingsressort. Sie setzt sich aufopferungsvoll dafür ein, dass Geflüchtete Wohnraum und Essen bekommen und in Bremen ein Zuhause finden können.

Wenn sich also zum ersten Male in der Geschichte des bremischen Senats unter den Gewählten eine Frau befand, so hat diese Frau die Probe glänzend bestanden.

Bürgermeister Wilhelm Kaisen über Käthe Popall

1948 wollen die Amerikaner keine Kommunisten mehr in der Regierung haben. Käthe Popall gibt zu Jahresbeginn ihren Posten ab, bleibt aber noch weitere drei Jahre Abgeordnete in der Bürgerschaft. Wilhelm Kaisen lobt in einem Brief ihre harte Arbeit und ihr Verantwortungsgefühl: "Wenn sich also zum ersten Male in der Geschichte des bremischen Senats unter den Gewählten eine Frau befand, so hat diese Frau die Probe glänzend bestanden."

Käthe Popall – ein großes Vorbild

Es folgen weitere Tiefschläge: In der KPD erstarkt der Stalinismus, ihr und ihrem Mann gefällt das nicht. Beide kritisieren die Partei öffentlich, nach mehreren Partei-Ausschlussverfahren tritt Käthe Popall schließlich verbittert aus. Die Familie zieht ins Saarland, dort bleibt Popall fast bis zu ihrem Lebensende. Anfang 1984 kehrt sie in ihre Heimat zurück, stirbt aber schon wenige Monate später.

Was ist von ihr geblieben? "Dass sie eine Sichtbarkeit geschaffen hat," sagt Rebecca Gefken. "Dass sie als Frau aus einer typischen, bremischen Arbeiterfamilie es geschafft hat, die erste Senatorin in Bremen zu werden und den Bremer Frauenausschuss zu gründen. Sie ist, würde ich sagen, ein großes Vorbild."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 6. November 2021, 13:40 Uhr.

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