Frauengeschichte(n) aus unserer Region Wie Fräulein Maria das Jeverland rettete
Standdatum: 4. September 2021.
Wenn Sie an ein mittelalterliches "Fräulein" denken, dann kommt Ihnen wahrscheinlich eine zarte Person mit wallendem Gewand in den Sinn, die klischeegeladen von einem Ritter umgarnt wird. Dieses Fräulein ist das absolute Gegenteil: Maria von Jever, auch "Fräulein Maria" genannt. Sie verteidigte als Alleinherrscherin ihre Heimat Jever gegen die Ostfriesen – und weigerte sich zeitlebens, gegen ihren Willen zu heiraten.
Mit 40 Jahren war Maria von Jever endlich am Ziel: Fast 20 Jahre lang hatte sie ihre Heimat Jever gegen zahllose Feinde verteidigt. Dann kam der Herbst 1540 und es starben innerhalb weniger Monate ihre härtesten Kontrahenten. Beerbt wurden sie von zwei Frauen.
Kaum regierten drei Frauen Norddeutschland, war beschlossen: genug gekämpft! Ein Neuanfang für Maria von Jever. Maria beherrschte bis ins hohe Alter das Jeverland, den heutigen Landkreis Friesland. Sie machte die Stadt Jever zur Residenzstadt, modernisierte die gesamte Verwaltung – und sie baute die alte Burg in ein Schloss um.
Aufgewachsen als Häuptlingstochter
Das Schloss ist heute ein Museum, das von Antje Sander geleitet wird. Vieles erinnert an Maria von Jever, die hier im Jahr 1500 als drittes Kind von Edo Wiemken dem Jüngeren zur Welt kommt. Sander erzählt, dass Maria von Jever als "Häuptlingstochter" aufgewachsen sei.
"Das ist ein etwas merkwürdiger Name, der nur hier im Ostfriesischen oder auf der ostfriesischen Halbinsel zum Tragen kommt", erklärt Sanders. Der Grund: Im Spätmittelalter konnten sich hier nicht wie anderswo alte Adelsfamilien etablieren, sondern eben Häuptlingsfamilien, die aus den Landesgemeinden hervorgegangen waren.
Der Vater stirbt als Maria elf Jahre alt ist. Ein Onkel, der Graf von Oldenburg, kümmert sich von jetzt an um Maria, ihre zwei Schwestern und den Bruder Christoph. Christoph wird zur Erziehung nach Lüneburg geschickt, die Mädchen sollen vor allem vorteilhaft heiraten. Doch dann stirbt Christoph 1517 plötzlich – und das Jeverland steht ohne Erben da.
Ursprünglich ist nicht vorgesehen, dass eines der Mädchen zur Erbin wird: "Maria selbst und auch ihre Schwestern waren nach dem Tod ihres Bruders in einer fast ausweglosen Situation für die Herrschaftssicherung. Sie waren verlobt, also eigentlich hätte das Jeverland an Ostfriesland fallen sollen", sagt Antje Sander.
Jeverland als Mitgift
Am meisten macht Maria von Jever Graf Edzard von Ostfriesland zu schaffen. Edzard will seine Söhne an die drei Fräuleins verheiraten – und so das Jeverland als Mitgift in seine Gewalt bringen.
Maria ist wütend. Das Jeverland aufzugeben kommt für sie nicht in Frage. Sie wehrt sich schließlich erfolgreich – auch dank eines ungeahnten Helfers: Boing von Oldersum. Der ist eigentlich Ostfriese, wechselt aber die Seiten und vertreibt 1531 die Besatzer aus Jever.
Er und Maria verlieben sich ineinander – heiraten wollten sie aber erst später. Maria regiert zusammen mit ihrer älteren Schwester Anna. Die beiden suchen sich Verbündete in ganz Europa, um ihre Herrschaft zu sichern. Doch auch Anna stirbt. Maria ist die letzte, die sich für die Unabhängigkeit des Jeverlandes einsetzen kann.
Die Friedenszeit nach 1540
Immer wieder streitet Maria mit ihren Nachbarn über Erb- und Herrschaftsverträge, um sich abzusichern. Dann kommt die Wende: Ab 1540 gibt es auf der ostfriesischen Halbinsel das Kuriosum, dass die "Landesherren" alle Frauen waren. "Man bezeichnet das als Friedenszeiten nach 1540, und das ist in der Tat auch der Fall", sagt Museumsleiterin Sander.
Maria bleibt unverheiratet, denn Boing von Oldersum wird bei einem Kampf getötet. Einen anderen Mann will sie nicht an ihrer Seite. Maria verhilft Jever zum Aufschwung, auch durch den Deichschutz. Das gilt bis heute als eine ihrer größten Leistungen.
Ein sagenumwobener Tod
Maria hat keine Erben. Sie will, dass die Grafen von Oldenburg nach ihrem Tod dort herrschen – Hauptsache, nicht die Ostfriesen. Um das Testament amtlich zu machen, schickt der Kaiser einen Gesandten, erzählt Antke Sander: "Da wird dann beschrieben, wie er in den Audienzsaal geführt worden ist und wie aus dem Nebenraum Fräulein Maria herauskam und den Gesandten gleich wütend angegangen ist, was denn am Hofe für Gerüchte erzählt werden, dass sie nicht mehr klar bei Verstand wäre, und sie würde noch so fit sein, dass sie gegen jeden Wettessen und auch gewinnen würde."
1575 stirbt Maria von Jever. Ihr Nachfolger allerdings ist 14 Tagesreisen entfernt – und das Jeverland erneut in Gefahr. Deshalb soll niemand merken, dass Maria gestorben ist: Sie wird heimlich beerdigt, ein Diener soll ihre Mahlzeiten aufgegessen haben, bis der Graf von Oldenburg eintrifft.
Damit geht Maria endgültig in die Geschichte ein: "Aus dieser Unsicherheit heraus hat sich dann ganz schnell die Sage entwickelt, dass Fräulein Maria gar nicht verstorben ist, sondern in einem unterirdischen Gang verschwunden und einst wiederkommt, wenn das Jeverland ihrer Bedarf", sagt Antje Sander. Bisher allerdings wurde sie noch nicht wieder gesehen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 4. September 2021, 13:40 Uhr