Im Porträt Wie diese Bremerin einen Nazi-Verbrecher enttarnte

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Ein Frau in weißer Jacke steht vor einer Backsteinwand.
Die Bremerin Susanne Benöhr-Laqueur ist Juristin und arbeitet als Hochschulprofessorin für Eingriffsrecht und Staatsrecht in Münster. Bild: Susanne Benöhr-Laqueur

Die Professorin Susanne Benöhr-Laqueur von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Münster erfährt im Fernsehen von einem Nazi-Schergen, der nie gefunden wurde. Zusammen mit ihren Studierenden macht sich die gebürtige Bremerin auf die Suche und enttarnt ihn nach nur anderthalb Jahren.

Ein Frau in weißer Jacke steht vor einer Backsteinwand.
Dr. Susanne Benöhr-Laqueur

Gesprächszeit Diese Juristin hat mit ihren Studierenden einen Nazi-Verbrecher enttarnt

Susanne Benöhr-Laqueur ist Hochschulprofessorin in Münster. Mit einigen Studierenden hat die Juristin den lang gesuchten NS-Verbrecher Ernst Chlan enttarnt.

Bild: Susanne Benöhr-Laqueur

Es war ein ganz normaler Abend mitten in der Corona-Pandemie, als Susanne Benöhr-Laqueur sich durchs Programm zappte und auf eine ARD-Dokumentation über den Prozess um Adolf Eichmann stieß. Dort war auch von einem Mann die Rede, der als Vertrauter von Massenmörder Adolf Eichmann agiert hatte. Er hieß Dr. Ernst Langer. Im Prozess in Jerusalem verriet Eichmann den SS-Sturmbannführer und sagte, dass dieser nicht Langer, sondern Klan hieße.

Das ist einfach eine Berufserfahrung, die ich hier eingebracht habe.

Ein Schreibfehler bringt die erfahrene Prozessanwältin auf die richtige Spur.

Gefunden oder enttarnt wurde Ernst Klan aber nie. Susanne Benöhr-Laqueurs Interesse war geweckt. Die Professorin an der Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung in Münster beschloss, sich mit ihren Studierenden auf die Suche nach Klan zu begeben. Ein erster Anhaltspunkt war der Name selbst: Könnte hier ein Übersetzungs- oder Transkriptionsfehler vorliegen? Die Vermutung erwies sich als richtig: Klan wird mit "Ch" geschrieben. Wie ist sie darauf gekommen? "Das hängt sicher damit zusammen, dass ich als Rechtsanwältin tätig war und als Rechtsanwältin im Gerichtssaal haben sie sehr häufig das Problem, wie Namen genau geschrieben werden. Und das ist einfach eine Berufserfahrung, die ich hier eingebracht habe." Der Eichmann-Prozess in Israel hatte in drei Sprachen stattgefunden. Schon Hannah Arendt hätte angemerkt, dass die deutsche Übersetzung nicht die allerbeste gewesen sei, sagt Susanne Benöhr-Laqueur.

Akribische Suche nach Beweisen

Mit der richtigen Schreibweise ging es voran. Nach nur eineinhalb Jahren war Ernst Chlan gefunden. "Ich war auch überrascht, wie schnell es dann ging", erzählt die Juristin. Dabei war sie nicht die erste, die es versucht hatte. Doch bislang vergeblich, daher ging man davon aus, dass Adolf Eichmann im Prozess gelogen hatte.

Wir haben sehr lange nach Beweismaterial gesucht, denn es musste ja wirklich zu 100 Prozent nachvollziehbar sein, dass es sich bei Dr. Langer um Dr. Chlan handelt.

Die Professorin und ihre Studierenden wollen den Fall lösen.

76 Jahre lang war niemand auf die Idee gekommen, dass der Name falsch geschrieben worden sein könnte. Für Susanne Benöhr-Laqueur und ihre Studierenden ging die eigentliche Arbeit nun richtig los: "Wir haben sehr lange nach Beweismaterial gesucht, denn es musste ja wirklich zu 100 Prozent nachvollziehbar sein, dass es sich bei Dr. Langer um Dr. Chlan handelt," erzählt die in Bremen geborene Juristin. Der entscheidende Hinweis kam dann vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes aus Genf. Von dort hatte Susanne Benöhr-Laqueur Bildmaterial bekommen und dieses mit der Strafakte Chlans abgeglichen. Die Akte lag in Wien und enthielt auch ein Privatfoto des NS-Verbrechers. Unterstützt wurde die Professorin für Eingriffsrecht und Staatsrecht an der Hochschule in Münster von zwei ihrer Studentinnen: Lina Schröder und Johanna Holtschlag sind Kommissarinnen-Anwärterinnen, und haben mit ihrem kriminalistischen Gespür entscheidend zur Lösung beigetragen.

Berufsziel war immer klar

Für Susanne Benöhr-Laqueur war immer klar, dass sie Professorin werden wollte. Schon während ihrer Selbständigkeit als Rechtsanwältin hat die gebürtige Bremerin wissenschaftliche Artikel geschrieben. Ihre Publikationsliste ist lang – sehr lang. Sie schreibt sogar in ihrem Urlaub, verrät sie. "Manche nennen mich daher auch Workaholic", erzählt sie schmunzelnd. Ja, sagt sie, sie sei am Ziel angekommen und würde sich gleichzeitig immer wieder neue stecken. Wenn sie nicht am Schreibtisch sitzt oder im Hörsaal über deutsches Recht doziert, dann läuft sie. Ihr nächstes Ziel ist der Halbmarathon.

Und wenn ich lese in einer Danksagung von 1992 an die Kameraden, dann sind die SS-Kameraden gemeint.

Susanne Benöhr-Laqueur forscht weiter nach möglichen Helfershelfern von Ernst Chlan.

Und auch in Bezug auf Ernst Chlan hat sie sich ein neues Ziel gesetzt. Kürzlich hat sie einen Hinweis von einem Innsbrucker Heimatforscher bekommen. Er hatte von ihren Forschungen gehört und die Todesanzeige Ernst Chlans gefunden und ihr zugeschickt. "Und just in dieser Danksagung finden wir dann den Dank der Familie an die Kameraden. Und wenn ich lese in einer Danksagung von 1992 an die Kameraden, dann sind die SS-Kameraden gemeint. Da wird sich außerdem besonders bedankt für das Blumenbouqet und die schönen Kränze, die unter anderem auch die TUI Hannover zugesendet hat.", erzählt sie. Ernst Chlan war lange Reiseleiter bei der TUI – unter anderem auf Mallorca. Diese Todesanzeige wirft nun neue Fragen auf: Was hat Ernst Chlan auf Mallorca gemacht? Welche Kontakte hatte er dort? Hatte er bis zu seinem Tod Kontakt zu Menschen, die wie er in der SS waren? Klar ist jedenfalls schon jetzt: Dank Susanne Benöhr-Laqueur muss die Geschichte umgeschrieben werden.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 03. April 2023, 18:05 Uhr

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