Die regionale Reportage Warum Hermann Allmers Karl dem Großen ein Denkmal setzte
Standdatum: 10. Februar 2021.
Wo überquerte Karl der Große die Weser? Der Dichter Hermann Allmers war sich sicher: Das war bei Rechtenfleth. Und deshalb ließ er am Deich ein Denkmal errichten.
Am 11. Februar 1821 wurde in Rechtenfleth an der Weser Hermann Allmers geboren, der später als der "Marschendichter" bekannt wurde. Er war Heimatdichter und ein Mann von Welt zugleich. Rechtenfleth und Rom – das ging für ihn zusammen. In seinem Heimatdorf Rechtenfleth am rechten Weserufer, gegenüber von Brake, ließ er ein Denkmal für Karl den Großen errichten. Denn er war sich sicher: Genau hier hat Karl mit seinem Heer die Weser überquert.
Der Karl, den Sie hier sehen, sieht aus wie ein 30-jähriger Jüngling. In Wirklichkeit würde der wahrscheinlich nicht so jung aussehen.
Hardy Köhler, Ortsvorsteher von Rechtenfleth
Das Denkmal am Deich hat ein spitzes Dach. Es beschirmt ein Mosaik, das einen noch sehr jugendlichen Karl zeigt – mit braunen Locken, einem Vollbart und von Gold umglänzt. Hardy Köhler, Ortsvorsteher in Rechtenfleth: "Diese Mosaiken hier sind von der Firma Villeroy und Boch – und der Karl, den Sie hier sehen, der sieht aus wie ein 30-jähriger Jüngling. In Wirklichkeit würde der wahrscheinlich nicht so jung aussehen."
Jahrzehntelanger Kampf für das Denkmal
Hermann Allmers aber sah ihn so. Jahrzehntelang kämpfte er für das Denkmal. Seine Nachforschungen hatten ergeben, dass Karl der Große auf seinem Zug nach Osten hier vorbeigekommen war – möglicherweise. Hardy Köhler erzählt, es sei damals ein Ortsname aufgetaucht, "Alisni". Und den hat Herrmann Allmers identifiziert als den Ort Alse, der sich auf der gegenüberliegenden Weserseite befindet. "Und da hat Allmers gemeint, wenn Karl der Große bei Alisni mit seinen Heerscharen über die Weser gegangen ist, dann muss er ja hier in Rechtenfleth wieder rausgekommen sein."
Für ihn spielte eine Rolle, seine Heimat in den Lichtbereich der deutschen Geschichte hineinzuführen.
Axel Behne, Vorsitzender der Allmers-Gesellschaft
Ob es wirklich so war, sei für Allmers am Ende gar nicht entscheidend gewesen, meint der Cuxhavener Kreisarchivar und Vorsitzender der Allmers-Gesellschaft, Axel Behne. Nach seiner Einschätzung ging es dem Heimatforscher, Landeskundler und glühenden Wesermarsch-Patrioten in Wirklichkeit um etwas ganz anderes: um die Wahrnehmung seiner Heimat in der Welt. "Sicher ist, dass der Karolinger Karl irgendwo die Weser überschritten haben muss, um den Sachsen heimzuleuchten. Und die Historiker neigen dazu, den Weserübergang deutlich südlich Bremens zu vermuten heute. Für ihn spielte eine Rolle, seine Heimat in den Lichtbereich der deutschen Geschichte hineinzuführen."
Als die Weser Ende des 19. Jahrhunderts ausgebaut wurde, fanden Arbeiter ein altes Schwert. Allmers nutzte den Fund als weiteren Beleg für seine These. Seine Freunde zogen ihn mit seiner Denkmalidee auf, erzählt Behne. So habe ihm Ludwig Franzius, Wasserbaudirektor in Bremen, 1898 geschrieben: "Du versuchst aller Welt weiszumachen, dass Karl der Große die Weser bei Rechtenfleth überschritten und anschließend bei Dir gefrühstückt habe."
Konservative Gegner des Projekts
Das Projekt hatte auch echte Gegner, wie den Heimat- und Heidedichter Hermann Löns. Die Industrialisierung und in ihrer Folge Landflucht und Verelendung in den Städten hatten viele Menschen verunsichert. Eine Rückbesinnung auf die – tatsächlichen oder angenommenen – Werte der Heimat habe das politische Klima konservativer werden lassen, erklärt Axel Behne. Karl der Große kam dabei nicht gut weg.
Um das geplante Denkmal gab es Diskussionen, sagt Axel Behne: "Darum, dass Karl der Große König der Franken war und den Sachsen, den Altvorderen der Norddeutschen, aufs Haupt gehauen hat – mehrfach." Und dann habe es noch diese Fabel gegeben, vom "Sachsenschlächter von Verden": "An einem Tag sollen bei Verden an der Aller 4.000 sächsische Edelinge gemeuchelt worden sein."
Sonderfahrten zur Denkmals-Einweihung
Das Publikum störte sich an der Kontroverse nicht: Zur Eröffnung am zweiten Pfingsttag 1899 kamen 2.500 Menschen, der Norddeutsche Lloyd bot Sonderfahrten an. Vor einigen Jahren musste das Denkmal für die Deicherhöhung ein Stück versetzt werden. Sein goldenes Mosaik glänzt noch immer in der Morgensonne. Ob Karl der Große jemals hier war? Möglicherweise nicht.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 11. Februar 2021, 10:40 Uhr.