Im Porträt Ihr Kampf brachte das erste Teilzeit-Gesetz

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Lore Maria Peschel-Gutzeit im Abgeordnetenhaus 2016
Feiert ihren 90. Geburtstag und arbeitet immer noch: Lore Maria Peschel-Gutzeit Bild: Imago | Stefan Zeitz

Sie war es gewohnt, immer wieder die Erste und Einzige zu sein. Denn Lore Maria Peschel-Gutzeit hat sich nie davon beeindrucken lassen, in sogenannte Männerdomänen einzudringen. Sie stellte alte Traditionen in der Justiz in Frage und brachte das Recht auf Teilzeit auf den Weg. Mit 90 Jahren blickt die Juristin nun auf eine außerordentliche Karriere in Politik und Justiz zurück.

Lore Maria Peschel-Gutzeit im Abgeordnetenhaus 2016

"Ich bin relativ preußisch mit mir selbst" – Lore Maria Peschel-Gutzeit

Lore Maria Peschel-Gutzeit hat sich nie davon beeindrucken lassen, in sogenannte Männerdomänen einzudringen. Die Juristin setzte das erste Teilzeitgesetz durch.

Bild: Imago | Stefan Zeitz

Lore-Maria Peschel-Gutzeit nennt sich selbst ein "Trojanisches Pferd", denn nach außen gibt sich die gestandene Juristin gutbürgerlich. Sie ist stets gut frisiert, trägt Seidenbluse, Perlenkette und Kostüm – doch in ihrem Inneren schlägt ein radikales Herz: "Ich habe ein Leben lang kleine Revolutionen verursacht, weil ich mich mit den Umständen und Gegebenheiten, wie ich sie angetroffen habe, nicht abgefunden habe", erzählte Lore Maria Peschel-Gutzeit 2015 in einem Radio Bremen-Interview.

Jura-Studentin zwischen lauter Männern

Geboren 1932 ist Peschel-Gutzeit ist einem Haushalt aufgewachsen, der zwischen der Wertigkeit von Männern und Frauen nicht unterschied. "Du kannst mehr" – das machte die Mutter, die als Lehrerin ihr eigenes Geld verdiente, der jungen Lore Maria schon früh klar. Als Peschel-Gutzeit 1951 anfing, Jura zu studieren, waren die Rechtswissenschaften allerdings noch ein richtiges Männer-Fach. Wo sie hinkam, war sie oft die erste oder einzige Frau. Doch mit eiserner Disziplin setzte sie sich durch und machte Karriere. Sie wurde Richterin am Landgericht Hamburg und setzte schon früh auf die Themen Familienrecht und Gleichstellung von Mann und Frau.

Teilzeitarbeit dank der "Lex Peschel"

Ein Schlüsselerlebnis machte sie Ende der Sechziger Jahre bundesweit bekannt. Als Lore Maria Peschel-Gutzeit noch unbekannte Richterin am Landgericht Hamburg war, verabschiedete sich eine Kollegin von ihr, die ihr behindertes Kind pflegen musste. Teilzeit war unmöglich, die Realität für Beamte sah damals so aus: Voll durcharbeiten – oder sich aus dem Staatsdienst entlassen lassen. "Und ich hab‘ mir an den Kopf gefasst und nur gedacht: Was ist denn das für eine Gesellschaft? Hier ist eine gut ausgebildete und qualifizierte Richterin, die hat jahrelang sich ausbilden lassen, leistet ihre Arbeit und leistet die gut – und trotzdem muss sie sich entlassen lassen. Das kann nicht sein!".

Und wir sind nur auf Widerstände gestoßen. Wirklich massive Widerstände!

Lore Maria Peschel-Gutzeit über den Kampf für Teilzeitmöglichkeiten im Beamtenrecht

Lore Maria Peschel-Gutzeit kontaktierte den Deutschen Juristinnenbund und arbeitete einen Gesetzesentwurf zur Einführung von Teilzeit-Arbeit und Familienurlaub im Beamtenrecht aus. "Und wir sind nur auf Widerstände gestoßen. Wirklich massive Widerstände! Von Seiten der Bundesregierung und von Seiten des Bundesverfassungsgerichtes", erzählte sie 2015 bei Radio Bremen. Aber: Frauen aller Bundestagsfraktionen unterstützten sie und brachten einen Antrag zur Teilzeitarbeit und Familienurlaub im Beamtenrecht auf die Tagesordnung des Parlaments. Das Rahmengesetz, das 1969 dazu verabschiedet wurde, wurde als "Lex Peschel" bekannt. "Heute kann kein Mensch sich mehr vorstellen, dass es im Öffentlichen Dienst keine Teilzeitarbeit gab", blickt Peschel-Gutzeit zurück.

Ich habe immer gesagt: Das setze ich durch, weil es eine schreiende Ungerechtigkeit ist.

Lore Maria Peschel-Gutzeit über die "Lex Peschel"

Von der "Lex Peschel" profitieren heute nicht nur Frauen, sondern alle erwerbstätigen Beamtinnen und Beamten. Selbst den Teilzeitanspruch geltend zu machen, hatte sie sich aber stets verboten, obwohl sie damals selbst kleine Kinder hatte und diese später allein großzog. Sie wollte ihre eigene Position nicht schwächen: "Das habe ich immer ganz streng getrennt. Ich habe immer gesagt: Das setze ich durch, weil es eine schreiende Ungerechtigkeit ist wie es bisher läuft. Aber ich selbst werde davon nicht profitieren. Ich wollte mich nicht diesem Verdacht aussetzen, dass ich letzten Endes alles nur für mich selbst gemacht habe", so Peschel-Gutzeit. "Ich bin da relativ preußisch mit mir selbst."

Noch nicht am Ziel

Und sie kämpfte weiter. Sie wurde mit Argusaugen beobachtet, als sie als erste Frau für den "Staudinger", das juristische Kommentarwerk zum BGB, schrieb. Sie wurde die erste Senatspräsidentin am hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Justizsenatorin in Hamburg und in Berlin und sorgte mit vier anderen Justizsenatorinnen dafür, dass das Gleichstellungsgebot im Grundgesetz ergänzt wurde. Ein Kampf, der auch heute noch weitergeht: "Frauen sind nicht gleichgestellt in unserer Gesellschaft. Wer behauptet, jetzt sei es ja geschafft, der muss mit beiden Augen blind durch das Leben gehen", bilanzierte sie 2015 bei Radio Bremen.

Auch mit 90 noch am Schreibtisch

Noch heute ist die Juristin mit ihrer scharfen Analyse und genauen Beobachtung vielen Frauen eine wertvolle Beraterin. "Durch den Fachkräftemangel haben Frauen alle Chancen, in die Positionen einzurücken, die die Männer allein zahlenmäßig nicht mehr besetzen können", ermutigt sie Frauen mit Karriereambitionen. Auch für die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, die am 26. Oktober 2022 90 Jahre alt wird, ist immer noch nicht Schluss: Lore-Maria Peschel-Gutzeit ist Ehrenpräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, arbeitet als Anwältin in eigener Kanzlei und setzt sich für die Verankerung von Kinderrechten in unserer Verfassung oder die Lohngleichheit von Frauen und Männern ein. "Ich komme mit fünf, sechs Stunden Schlaf aus", sagt sie dann lächelnd.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 26. Oktober 2022, 18:05 Uhr

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