Die regionale Reportage Eine Hochzeit und drei Todesfälle im mittelalterlichen Ostfriesland
Standdatum: 17. März 2022.
Eine heimliche Heirat, eine Mutter, die diese Liebe nicht gutheißt, ein tragischer Tod. Das klingt nach Stoff für einen Hollywoodstreifen. Aber es ist eine wahre Geschichte, die vor langer Zeit in Ostfriesland gespielt hat. Einen Hinweis darauf gibt ein Straßenname in der Stadt Aurich: Almuthweg. Unser Reporter Frank Jakobs hat die Geschichte recherchiert.
Im Jahre 1522 haucht Almuth Cirksena auf der Burg in Greetsiel ihr Leben aus. Dort ist sie seit gut 30 Jahren gefangen. Ihre eigene Mutter hat sie hinter Schloss und Riegel gebracht. Wer ist Almuth Cirksena? Silke Arends, Journalistin und Autorin, hat sich mit dem Leben dieser Frau befasst. "Almuth Cirksena war die jüngste Tochter von Ulrich dem Ersten, der erste Graf von Ostfriesland." Die Grafentochter verliebt sich in einen Edelmann, der ihren Eltern dient.
Verbotene Liebe auf der Friedeburg
Engelmann von Hörstel heißt dieser Edelmann. Er ist bei der Grafenfamilie sehr beliebt. Damals führt Almuths Mutter, Gräfin Theda, die Amtsgeschäfte. Denn Almuths Vater, Graf Ulrich, ist schon lange tot. Er starb, als Almuth ein Jahr alt war. Und so regiert Gräfin Theda mit Bedacht über Ostfriesland und kann den Oldenburgern sogar Friedeburg abringen. Dort setzt sie eben jenen Engelmann von Hörstel als Verwalter ein.
Von der Liebe zwischen von Hörstel und ihrer Tochter Almuth ahnt Gräfin Theda noch nichts, aber das ändert sich bald, sagt Silke Arends. "Engelmann von Hörstel wollte seine geliebte Almuth mitnehmen. Die beiden haben eine Entführung ausgemacht. Er hat sie auf seinem Pferd nach Friedeburg mitgenommen. Das fand Gräfin Theda nicht so toll."
Gräfin Theda ist sehr darauf bedacht, dass sie ihre sechs Kinder standesgemäß verheiratet. Schließlich hat die Familie vom kaiserlichen Bevollmächtigten die Grafenwürde erhalten und Engelmann von Hörstel ist nur von niederem Adel. Als Gräfin Theda die Herausgabe ihrer Tochter verlangt, verweigert von Hörstel dies.
Tod im Burggraben
Dann muss Gräfin erfahren, dass sich ihre Tochter Almuth und deren Geliebter auf der Friedeburg das Ja-Wort gegeben haben. Das ist zu viel! Auch Almuths Bruder Enno ist erbost. Er will Engelmann von Hörstel zur Rede stellen und reitet in voller Rüstung mit zwei Begleitern zur Friedeburg. Auf dem zugefrorenen Burggraben treffen Enno und Engelmann aufeinander. "Sie haben sich wahrscheinlich nicht gerade freundlich ausgetauscht", vermutet Arends. "In all dem Hin und Her hat sich Engelmann zurückgezogen, Enno wollte hinterher, ihn nochmal zur Rede stellen. Er ist in das Eis des Burggrabens eingebrochen und mit seiner Rüstung und zwei von seinen Gefolgsleuten ertrunken."
Flucht nach Groningen
Darufhin lässt Gräfin Theda die Friedeburg solange belagern, bis von Hörstel flieht. Almuth verdonnert sie zu Hausarrest auf der Burg der Cirksenas in Greetsiel. Doch Almuths Ehemann gibt nicht so leicht auf. Er schickt eine alte Frau in Bettlerkleidung nach Greetsiel, Almuth kleidet sich in diese Gewänder und flieht nach Groningen. Dort wollen sich die beiden Verliebten in einem Gasthaus treffen.
30 Jahre in Gefangenschaft
Aber der Plan geht schief. Ein Bekannter der Grafenfamilie ist zufällig auch dort und erkennt Almuth Cirksena. Er bringt sie zurück nach Greetsiel, wo sie auf Anweisung ihrer eigenen Mutter die nächsten 30 Jahre bis zu ihrem Tode bleibt. Nicht einmal Papst Alexander VI. kann Gräfin Theda umstimmen, obwohl er auf Nachfrage von Engelmann von Hörstel die Rechtmäßigkeit der Ehe bestätigte. Almuth heiratet später keinen anderen Mann. Aber sie ist nicht ganz allein. Ihre Mutter verfügt auch, dass Almuth jährlich 40 rheinische Gulden bekommt, damit sie ein Kammermädchen, eine Magd und einen Bedienten bezahlen kann. Almuth Cirksena wird nach ihrem Tod 1522 im Kloster Marienthal in Norden beigesetzt und schließlich ins Mausoleum der Cirksenas nach Aurich umgebettet.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 21. März 2022, 10:40 Uhr.