Die regionale Reportage 70 Jahre im Amt: Sielrichter Tamme Uden Tammena
Stand: 4. Januar 2021.

Sielrichter: Das ist ein bedeutendes Amt in Ostfriesland. Er ist zuständig für die Entwässerung des Landes, den Ausbau der Gewässer und Reparaturen. Tamme Uden Tammena übte dieses Amt über 70 Jahre lang aus. Im Alter von 100 Jahren entschied er, dass es Zeit für einen Jüngeren wäre. Sein Nachfolger war allerdings auch schon fast 80 Jahre alt.
Tamme Uden Tammena war 70 Jahre lang Sielrichter in Ostfriesland
Tamme Uden Tammena war ein Mann mit vielen Talenten: "Er war Gutsbesitzer, Standesbeamter der Gemeinde Canhusen. Er war ein Schöngeist, wenn man so will. Er hat Stücke für Klavier geschrieben, er hat Gedichte geschrieben, er war zweimal verheiratet und hatte sieben Kinder, also, ein sehr aufgeschlossener Mensch für die damalige Zeit" sagt Eggo Schreitling, ehemaliger Sielrichter des Entwässerungsverbandes Emden. So ist es fast schon naheliegend, das Tamme Uden Tammena auch noch das Amt des Sielrichters übernahm.
Welche Aufgaben hat ein Sielrichter?
"Der Sielrichter ist derjenige, der darüber richtet, wann entwässert wird und in welcher Form. Wann wird das Sieltor geöffnet? Wann wird es geschlossen? Er entschied auch, in welcher Form Gewässer ausgebaut wurden, an den Sieltoren Reparaturen vorgenommen wurden und wie hoch die Beiträge waren, die jeder Landeigentümer an die Sielacht, an die Genossenschaft, zahlen musste", erklärt Eggo Schreitling.

1874 der jüngste Sielrichter
Bis heute gibt es dieses Amt. Denn große Teile der ostfriesischen Halbinsel liegen unter dem Meeresspiegel. Würde das Regenwasser nicht über ein ausgeklügeltes Kanalsystem in die Nordsee befördert werden, würde sie regelrecht absaufen. Als nun Tamme Uden Tammena 1874 Sielrichter der Neupfort-Sielacht wird, ist er 29 Jahre und damit der jüngste in dieser Position. "Er hat auch prägend mitgewirkt, dass aus den alten Entwässerungsgenossenschaften eine Überleitung zu unserem heutigen Entwässerungsverband stattgefunden hat. Nämlich der Zusammenschluss aller kleinen Sielachten zu einem großen Entwässerungssystem," sagt Schreitling.
Streit zwischen Emden und den Sielachten
Es gab zwischen dem Emder Hafen und den Sielachten immer Streit. Die Sielachten mussten das Binnenwasser in den Hafen ableiten und benötigten dafür dort einen niedrigen Wasserstand. In der Stadt Emden bedurfte es aber meist eines hohen Wasserstandes, damit die Schiffe bis zum heutigen Rathaus fahren und dort anlegen konnten. Daraus ergaben sich immer Auseinandersetzungen zwischen den Stadtvertretern und den Sielrichtern, die in Richtung Emden entwässerten. Deshalb musste der Sielrichter ein Mensch sein, der sich gegenüber dem Emder Stadtrat positionieren konnte.
Das Besondere an dieser Amtsübergabe war, dass ein 100-Jährige sein Amt an einen weit über 70-Jährigen übergeben hat.
Eggo Schreitling über den Sielrichter Tamme Tammena
Tammena konnte das offenbar. Und zwar so gut, dass er immer wieder zum Sielrichter gewählt wurde. Doch der einst jüngste Sielrichter wollte irgendwann nicht mehr. 1933 war Schluss. Immerhin war er da schon 100 Jahre alt. Ganze 71 Jahre war er Sielrichter. Nun sei es Zeit, das Amt in jüngere Hände zu geben, soll Tammena gesagt haben – und übergab sein Amt an einen weit über 70-Jährigen.
Rekordhalter Tamme Uden Tammena
Tammena hält bis heute mehrere Rekorde: Er war der jüngste und der älteste Sielrichter und derjenige mit der längsten Amtszeit. Immerhin hat der Entwässerungsverband Emden daraus gelernt und seine Statuten geändert. Jetzt ist für den Obersielrichter mit 65 Jahren Schluss. Heute erinnert ein Bild im Schöpfwerk Knock an das Multitalent Tamme Uden Tammena.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 4. Januar 2021, 10:40 Uhr.