Die regionale Reportage Wie sich die Oldenburger ihre Stadt zurückholen

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  • Gerhard Snitjer
Werbung "Something is in the making" an einer Fensterscheibe in der sich Häuser spiegeln
So wirbt der Oldenburger Projektentwickler Angelis und Partner für den geplanten Umbau des alten City Centers. Entstehen soll nicht weniger als ein neues urbanes Zentrum. Bild: Radio Bremen | Gerhard Snitjer

Viel Leerstand, zugeklebte Schaufenster: Das ist die Heiligengeiststraße in der Oldenburger Innenstadt, eine Fußgänger- und Fahrradstraße, 400 Meter lang. Besonders trostlos sieht seit Jahren die lange Front des "City Center Oldenburg" ("CCO") aus. Die zugkräftigen Geschäfte haben das Gebäude verlassen. Ein findiges Projekt-Team glaubt, genau das richtige Konzept für diesen Gebäudekomplex und damit für die ganze Nachbarschaft zu haben. Gerhard Snitjer über das Projekt und die Projektentwickler.

Alexis Angelis leitet ein großes Oldenburger Architekturbüro. Seit rund drei Jahren tüftelt er mit einigen Mitstreitern an einem Plan, der frischen Wind in die Heiligengeiststraße bringen soll. Mit dieser Geschäftsstraße ging es bergab, seitdem der Elektronik-Branchenriese "Saturn" vor einigen Jahren aus dem CCO, dem früheren Hertie-Kaufhaus, ausgezogen ist.

Die 16.000 Quadratmeter große Immobilie gehört jetzt Angelis' Unternehmen. Einige Mieter gibt es noch: ein Hotel, ein Fitnessstudio, mehrere Wohnungen. Aber der besondere Clou, der Anziehungskraft und neues Leben verspricht, soll jetzt erst entstehen. "Core" heißt das Projekt. 

Begegnungen statt Konsum

Noch ist in dem CCO-Gebäude davon wenig zu sehen, die Arbeiten beginnen gerade erst. Auf rund einem Fünftel der Flächen soll das "Core"-Projekt laut Angelis ab dem kommenden Frühjahr zum neuen Kern urbanen Lebens in Oldenburg werden: ein Ort für Innovation, Arbeit, Gastronomie, und Erlebnis. "Core soll die Plattform sein für Innovatoren, die Kreativen, die großen Unternehmen, die kleinen Unternehmen, die Freelancer der Region, die hier zusammenkommen, sich vernetzen, die hier auch arbeiten können, die hier Meetings abhalten können, Veranstaltungen. Aber auch einfach für die Bürger der Stadt, um hier zu essen, trinken, in diesem Marktplatz, den wir dort schaffen."

Ich habe eben mehr als einen Arbeitsplatz, ich habe auch eine Welt dazwischen. Einen Marktplatz des Arbeitens.

Alexis Angelis über das "Core"-Projekt

Mehr als nur Arbeitsplätze

Im ersten Stock des früheren Kaufhauses soll es Arbeitsplätze geben, wie es sie teils in Metropolen schon gibt, aber in Oldenburg bisher nicht: Büros, Konferenz-oder Veranstaltungsräume, die man nicht mietet, sondern bucht, für Stunden, Wochen oder Monate.

ein Mann steht in einem Rohbau und schaut auf einen Bauplan
Alexis Angelis und sein Team haben viel vor in der Oldenburger Heiligengeiststraße. Drei Jahre Arbeit stecken in den Planungen. Bild: Radio Bremen | Gerhard Snitjer

Sämtliche nötige Infrastruktur wird gestellt und kann nach Bedarf mitgebucht werden, beispielsweise Technik für Videokonferenzen. In solch einem Umfeld werden sich besonders die innovativen, jungen, kreativen Start-Ups wohlfühlen, hofft Alexis Angelis. Die sollen sich hier optimal vernetzen und austauschen können. Die Gestaltung der Arbeitsräume soll dabei helfen. "Ich habe eben mehr als einen Arbeitsplatz, ich habe auch eine Welt dazwischen. Aufenthaltsbereiche. Einen Marktplatz des Arbeitens, wenn man so möchte, wo ich Rückzugsorte habe, aber eben auch einfach Gemeinschaftsflächen."

Der beste Ort für fruchtbare Gespräche – das weiß man von jeder Party – ist die Küche. Und so wird im "Core" eine gut ausgebaute Gastronomie eine wichtige Rolle spielen. Die sieben oder acht Köche müssen nicht mit großem Startkapital antreten, sondern finden die nötige Einrichtung vor. Alexis Angelis: "Die Gastronomen, die da kommen – was wir auch in der Corona-Zeit als genau richtigen Schritt empfinden – können hier niederschwellig rein. Die haben keine große Investition. Die können sich da hinstellen, den Stand noch ein bisschen ausschmücken und dann loslegen."

Ein Marktplatz für alle Oldenburger

Das alles soll sich natürlich rechnen, ist aber nicht nur kommerziell gedacht. Angelis geht davon aus, dass die Gastronomie eine Menge Laufkundschaft ins Haus und in den Außenbereich ziehen wird – und damit in die ganze Straße. Und das könnte der Moment sein, in dem Neugier geweckt wird, weil plötzlich und unerwartet etwas Interessantes zu erleben ist.

Computeranimation: modernes Cafè in einem restauriertenKaufhaus
So stellen sich die Planer das neue Zentrum vor: Arbeiten, Gastronomie, Treffpunkt, Veranstaltungsort für die Oldenburger. Bild: Angelis und Paertner

Wir machen das für die zukünftigen Generationen und für die Generationen, die heute da sind."

Jens Läkamp, Projektentwickler

Die Projektentwickler sehen nicht nur bei der regionalen Wirtschaft großes Interesse an ihrem Konzept, sondern auch bei den Oldenburger Hochschulen. Die haben sich noch nie als Elfenbeintürme verstanden, sondern immer die Kommunikation gesucht, sagt Projektentwickler Jens Läkamp, der selber mit seiner Firma ins "Core" ziehen will: "Warum sollte eine Universität nicht eine Vorlesung in der Stadt machen? Weil, wir machen das für die zukünftigen Generationen und und für die Generationen, die heute da sind."

Engagement lokaler Unternehmen

Vermittlung von Wissen und Bildung in aller Öffentlichkeit: Solche Prozesse erhofft sich das Projekt-Team einerseits ganz informell am Mittagstisch in der Markthalle, andererseits auch in Form von Symposien und Kongressen. Sogar das Hotel für anreisende Gäste sei ja schon da. Die Begeisterung der Core-Erfinder scheint ansteckend. Die Oldenburgische Landesbank hat sich im CCO-Gebäude schon eingemietet, um ganz dicht dran zu sein an all der Innovation. Und Jens Läkamp zeigt sich beeindruckt, dass sich lokale Unternehmen mit viel Herzblut in die Umbauarbeiten eingebracht haben. Die Unternehmer aus Oldenburg hätten sich nicht nur um das Projekt Core gekümmert, sondern um das ganze Gebäude und damit um einen großen Teil der Innenstadt. "Die Oldenburger holen sich ihre Stadt wieder zurück."

Das ist auch eine neue Antwort einer Region auf die Großstädte. Und das ist, glaube ich, das Revolutionäre an dem Thema.

Alexis Angelis über das Konzept des Core-Projekts

Ob das Konzept aufgeht und ob es die erwartete Strahlkraft für die ganze Nachbarschaft entwickelt, kann niemand wissen, denn all das hat hier ja noch niemand versucht. Das "Core"-Projekt will Co-Working-Space- und Gastronomiekonzepte verbinden, dazu noch Wirtschaft und Wissenschaft ins Boot holen, und damit Innovation und Kreativität fördern. Und all das in einer relativ kleinen Stadt wie Oldenburg. "Das ist eine Besonderheit, und das ist glaube ich auch eine neue Antwort einer Region auf die Großstädte. Und das ist glaube ich das Revolutionäre an dem Thema."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Schwerpunkt, 15. November 2020, 13:40h.

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