Im Porträt Wie Käthe Nebel im Krieg Vergewaltigungen erlebt hat

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Käthe Nebel
Kam 1945 aus Ostddeutschland nach Oldenburg: Käthe Nebel. Bild: Radio Bremen | Julia Meichsner

Die Oldenburgerin Käthe Nebel muss als 14-jähriges Mädchen die Grausamkeiten des Zweiten Weltkrieges miterleben: Die Rote Armee marschiert im Osten des Deutschen Reiches ein, Soldaten vergewaltigen Frauen und nehmen sie als Prostituierte gefangen. Auch Käthe Nebel und ihre Mutter werden festgehalten, erleben diese Gewalt und müssen Zwangsarbeit leisten.

Käthe Nebel
Käthe Nebel

"Die Nacht durchsoffen und die Frauen vergewaltigt" – Käthe Nebel

Käthe Nebel muss als 14-Jährige die Grausamkeiten des Zweiten Weltkrieges miterleben. Soldaten vergewaltigen Frauen und nehmen sie als Prostituierte gefangen. (Achtung: Triggerwarnung!)

Bild: Radio Bremen | Julia Meichsner

Käthe Nebel ist Jahrgang 1930 und stammt aus Berlin. Ihre Eltern hatten sich schon früh scheiden lassen und im Februar 1945 war Nebel mit ihrer Mutter in Drossen bei Frankfurt/Oder, als die Ostfront auf sie zurollte. Zuerst waren es die Flüchtlingstrecks, die schweren Gespanne mit Hab und Gut, die sich aus Ostpreußen aus dem Weg in den Westen gemacht hatten. "Aber wir – meine Mutter und ich fanatische Adolf-Hitler-Anhänger – haben nicht gedacht, dass da der Russe kommt. Das zu denken, war unmöglich. So sehr war man infiltriert von der Ideologie der Nazis", erinnert sich Käthe Nebel an die Vorboten. Sie sah in den Wochenschauen siegreiche Soldaten, die feindliches Gebiet einnahmen, und glaubte damals wie so viele immer noch an den "Endsieg".

Und so haben sie die Nacht durchsoffen und die Frauen vergewaltigt.

Käthe Nebel über russische Soldaten, deren Gefangene sie und ihre Mutter waren

Doch irgendwann hörte auch sie das Donnern der Geschütze und die 14-jährige Käthe Nebel und ihre Mutter befanden sich mitten in der Front. Sie flüchteten aufs Land und versteckten sich, zusammen mit zwei anderen Frauen und deren Kindern in einem Bauernhaus: "Es ging nur noch um das Überleben in dem Moment." Es dauerte nicht lang und russische Männer drangen ins Haus ein. Sie tranken und die Frauen waren ihrer Willkür wie Gefangene ausgeliefert. "Man winkte sich die Frau herbei und ging ins Badezimmer. Und so haben sie die Nacht durchsoffen und die Frauen vergewaltigt", erzählt Käthe Nebel, die beobachten konnte, was man ihrer Mutter vielfach antat.

Sie ist gestorben und wir hatten nie wieder darüber geredet.

Käthe Nebel über die Sprachlosigkeit zwischen ihr und ihrer Mutter nach 1945

Die Flucht führte Käthe Nebel weiter nach Küstrin, wo sie mit ihrer Mutter Zwangsarbeit ableisten und einen Flugplatz bauen musste. Auch dort waren Vergewaltigungen an der Tagesordnung. Als Nebel und ihre Mutter auch dort endlich freikamen, nutzen sie die Chance, mit einem Zug weit in den Westen zu fahren. Leer in Ostfriesland war das Ziel, weil die Mutter dort eine Brieffreundin hatte. Als der Zug in Oldenburg hielt, war dort noch ein Wohnungskontingent für Flüchtlinge frei. "Man hat uns das Haus Wallgraben 2 zugewiesen. Wir sind hingegangen und haben geklingelt", erzählt Nebel über die erste eigene Bleibe. Über die Erlebnisse, die hinter den beiden Frauen lagen, legte sich dann für immer ein Schleier des Schweigens: "Über das ganze Elend, das wir damals erlebt und durchgemacht haben, haben wir nicht sprechen können. Wir fanden einfach keine Worte. Sie ist gestorben und wir hatten nie wieder darüber geredet", so Nebel über ihre Mutter.

Sie heiratete nie und hielt sich von Männern fern

Heute fällt Käthe Nebel der restlos ehrliche Blick in die Vergangenheit leichter. Aber die 92-Jährige sagt auch: "Ich kann sagen, dass ich einen psychischen Knacks wegbekommen habe. Ich wollte keine richtige Frau werden". Ihr Vertrauen in eine liebevolle Beziehung zu einem Mann war gestört. Käthe Nebel wurde Volkschullehrerin in Ahlhorn und war nie verheiratet.

Engagiert für ein selbstbestimmtes Sterben

Seit Jahrzehnten setzt Nebel sich ein für mehr Tierwohl, mehr Gleichberechtigung, gegen die Atomkraft und für ein selbstbestimmtes Sterben. Denn ihrer Meinung nach sollte man gehen können, wenn man möchte. Und es sollte möglich sein, sich bei diesem letzten Schritt professionellen Sterbehelfern unterstützen zu lassen. "Ich will sterben, wenn ich das Leben satt habe", erklärt sie. Denn Käthe Nebel kennt das Sterben auch anders: Sie hat ihre Mutter gepflegt und dann jahrelang ehrenamtlich beim Ambulanten Hospizdienst in der Sterbebegleitung in Oldenburg gearbeitet. Sie erlebte, wie langwierig und schmerzvoll der Übergang vom Leben in den Tod sein kann und dass Sterbende diesem Schicksal oft hilflos ausgeliefert sind.

Eine eigenständige Frau sein. Persönlichkeit sein – das wollte ich!

Käthe Nebel über ihr Leben ohne Mann an ihrer Seite

So möchte sie nicht sterben, sagt Käthe Nebel, und so sollte auch niemand sterben müssen. Deshalb setzt sich die ehemalige Lehrerin heute für Hilfe beim selbstbestimmten Sterben ein. "Eine eigenständige Frau sein. Persönlichkeit sein – das wollte ich. Und das bin ich ja eigentlich auch", sagt sie, wenn sie auf ihr Leben zurückblickt.

Käthe Nebel war schon einmal Gast in der Bremen Zwei Gesprächszeit. Im Juni 2022 sprach sie über ihr Engagement für ein selbstbestimmtes Sterben:

Käthe Nebel
Käthe Nebel

"Ich will sterben, wenn ich das Leben satt habe" – Käthe Nebel

Käthe Nebel kämpft dafür, dass alle Menschen selbstbestimmt und schmerzfrei ihr Leben beenden können, auch mit der Unterstützung professioneller Sterbehelfer.

Bild: Radio Bremen | Julia Meichsner

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 29. November 2022, 18:05 Uhr

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