Die regionale Reportage Wie die erste Zeitbombe der Welt Bremerhaven erschütterte

Autor/Autorin

  • Catharina Spethmann

Am 11. Dezember 1875 explodiert eine Bombe an der Kaje in Bremerhaven – und reißt fast 100 Menschen mit in den Tod. Die "Thomas-Katastrophe" war das erste geplante Zeitbombenattentat der Welt. Auf dem Friedhof in Bremerhaven-Wulsdorf erinnert ein Denkmal an die Opfer des Anschlags.

Ein Schwarz-Weiß-Bild zeigt eine Szene im Hafen, vorne liegt ein Dampfer, hinten ein großes Schiff, drumherum viele Menschen.
Der Dampfer "Mosel" kurz vor der "Thomas-Katastrophe" – am 11. Dezember 1875 explodiert beim Verladen ein Fass mit einer Bombe. Bild: Stadtarchiv Bremerhaven

Auf einer sonnenbeschienenen Rasenfläche auf dem Friedhof in Bremerhaven-Wulsdorf steht ein neugotisches Steinkreuz. Ein Denkmal für die Opfer der "Thomas-Katastrophe". Es erinnert an die große Explosion kurz vor Abfahrt der "Mosel", eines Dampfers des Norddeutschen Lloyd. Im Bremerhavener Stadtarchiv finden sich Zeitungsberichte von diesem Tag:

Dem Auge bot sich das grauenhafte Bild der Zerstörung. Der Kai an der linken Seite des Hafenausgangs war mit mehr oder minder zerschmetterten menschlichen Leibern, zerfetzten Kleidungsstücken, sonstigem Passagiergut, Schiffsgeräten etc. wie auf eine große Strecke übersäet. Einzelne menschliche Körperteile waren weit fortgeschleudert.

Zeitungsberichte vom Tag der "Thomas-Katastrophe"

Todbringendes Fass

83 Menschen wurden getötet, rund 200 verletzt. Aus einem Bericht des Hansestadt Bremischen Amtes vom Januar 1876: "Unmittelbar nach der Katastrophe wurde festgestellt, dass dieselbe durch Explosion einer Kiste oder eines Fasses veranlasst war. […] Augenzeugen sahen, wie einige Arbeiter das Fass, das durch seine Form und seine Schwere bereits beim Ausladen aus dem Eisenbahnzug aufgefallen war, von einem der Wagen hoben, der die Güter an die "Mosel" führte." Als das Fass an Bord gehievt werden sollte, löste es sich offenbar aus seiner Halterung und explodierte beim Aufprall auf den Boden. Es gehörte einem gewissen William Thomas, Kaufmann, wohnhaft in Dresden. Er versuchte nach der Explosion, sich in seiner Kabine auf der "Mosel" zu erschießen, lebte aber noch einige Tage weiter.

Ein Schwarz-Weiß-Bild zeigt einen Mann mit Halbglatze, Vollbart und Nickelbrille.
Attentäter William Keith Thomas auf einem Stich aus dem 19. Jahrhundert. Bild: Stadtarchiv Bremerhaven

Wer war der Attentäter?

Wer war der Attentäter und was war sein Motiv? Für die Nachforschungen baten die Behörden die deutschen Konsulate in Southampton und New York um Amtshilfe. Die Bremische Bürgerschaft musste zusätzliches Geld bewilligen, um die Kosten zu decken, "von denen insbesondere die letzteren hauptsächlich dadurch entstanden sind, dass nach dem Bericht des Generalconsulats (in New York) die kostspielige, aber auch sehr wirksam gewordene Hülfe eines in den Vereinigten Staaten bestehenden Privat-Detectiv-Büreaus in Anspruch genommen werden musste." Nämlich die der berühmten Detektei Allan Pinkerton. Die Tagessätze plus Spesen für die Agenten in Chicago und Philadelphia waren gut angelegtes Geld. Bald war klar: William Thomas hieß in Wahrheit Alexander Keith, kam aus Halifax in Kanada und hatte als Blockadebrecher im amerikanischen Bürgerkrieg mit windigen Geschäften, Betrug und Unterschlagung viel Geld gemacht – das aber trotzdem nicht für den aufwändigen Lebensstil der sechsköpfigen Familie ausreichte.

Versuchter Versicherungsbetrug

In dem Fass, das Thomas absurd hoch versichert hatte, befanden sich ein Zeitzünder und eine große Menge Sprengstoff. Es sollte mitten auf dem Ozean explodieren und die "Mosel" sinken lassen. Er selbst wollte schon vorher in Southampton von Bord gehen – und später die Versicherungssumme kassieren. Aus den Ermittlungsakten, die heute im Bremer Staatsarchiv liegen geht hervo: "Auf jedes Gespräch über seine Familie ging er mit Lebhaftigkeit ein; an seinen Kindern schien er mit besonderer Zärtlichkeit zu hängen. Spuren von Reue über seine That zeigte er nie, obgleich er anfangs im Hospital mitten zwischen Männern lag, die durch die Explosion theilweise tödtlich getroffen waren."

Ein grauer Gedenkstein mit einem großen Kreutz auf einem Friedhof
Dieses Denkmanl erinnert an die Opfer der "Thomas-Katatstophe". Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Thomas wurde auf dem Wulsdorfer Friedhof begraben. Sein Kopf wurde abgetrennt und zuletzt im Kriminalmuseum Bremen aufbewahrt, wo er nach einer Explosion 1944 bei Aufräumarbeiten entsorgt wurde. An die "Thomas-Katastrophe" erinnern heute noch die Schiffsglocke der "Mosel" im Deutschen Schifffahrtsmuseum, eine Gedenkplakette am Neuen Hafen – und das Denkmal auf dem Wulsdorfer Friedhof.

Ein grauer Gedenkstein mit einem großen Kreutz auf einem Friedhof

Wie 1875 die erste Zeitbombe der Welt Bremerhaven erschütterte

Am 11. Dezember 1875 explodiert eine Bombe an der Kaje in Bremerhaven. Die "Thomas-Katastrophe" war das erste geplante Zeitbombenattentat der Welt. Auf dem Friedhof in Bremerhaven-Wulsdorf erinnert ein Denkmal an die Opfer des Anschlags.

Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 6. September 2021, 10:40 Uhr

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