Im Porträt Dominik Bloh: Von der Straße ins Schloss Bellevue

Dominik Bloh, GoBanyo Projektinitiator
Bild: dpa | Markus Scholz

Dominik Bloh war noch Teenager, als sein Leben auf der Straße begann. Mehr als ein Jahrzehnt schlief er auf Bänken oder unter Brücken, begleitet von Hunger, Kälte und Einsamkeit. Inzwischen hat er sein Leben komplett umgekrempelt und hilft nun selbst Obdachlosen. Für sein ehrenamtliches Engagement erhielt er den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, das sogenannte "Bundesverdienstkreuz".

Bereits 2018 hatte ihn Bremen Zwei-Redakteurin Kristin Hunfeld zum Gespräch getroffen - ein Interview, das einige Monate später mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet wurde. Es sei Kristin Hunfeld gelungen "einem eher introvertierten Gast und seiner höchst ungewöhnlichen Lebensgeschichte den notwendigen Raum zu geben", so die Jury. Hier könnt ihr die Sendung nachhören:

Dominik Bloh
Dominik Bloh

"Das Schlimmste für mich war das Thema Waschen" – Dominik Bloh (aus 2018)

Mehr als ein Jahrzehnt schlief Dominik Bloh auf Bänken oder unter Brücken. Als Teenager begann seine Zeit als Obdachloser auf den Straßen Hamburgs. Bremen Zwei-Redakteurin Kristin Hunfeld hat ihn 2018 zum Gespräch getroffen. Das Interview wurde anschließend mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet.

Bild: Ankerherz Verlag | Axel Martens

Warmhalten in Waschsalon und S-Bahn

Dominik Blohs Kindheit ist geprägt von vielen Umzügen. Nichts war von Dauer und nirgendwo konnte er Wurzeln schlagen. Während eines Schneesturms wurde er, gerade 16 Jahre alt, mitten in der Nacht von seiner psychisch kranken Mutter vor die Tür gesetzt. Doch der Freund, bei dem er unterkommen wollte, ließ ihn vor verschlossener Tür stehen. So begann seine Zeit auf der Straße. Warm hielt er sich von Endhaltestelle zu Endhaltestelle in Bussen und Bahnen, Waschsalons und Fastfood-Restaurants in ewiger Angst vor Nässe, Wind und Krankheit.

„Das Schlimmste für mich war Hygiene und das Thema "Waschen", weil mit dem Hunger bin ich alleine. Ich habe Hunger, aber das sieht keiner um mich herum... Aber sich nicht waschen zu können und zu stinken und dreckig zu sein ... in dem Moment kämpfe ich das nicht alleine mit mir aus, sondern in dem Moment merke ich, dass die Menschen um mich herum auf einmal mich wahrnehmen und mich sehen, aber als stinkenden, versifften Penner, und das hat oft weh getan.“

Angst vor Gewalt: "Ich hatte meinen Schlafsack nie ganz zu..."

Sein wichtigstes Utensil waren der Collegeblock und ein Stift, die er eingewickelt in einer Plastiktüte, als Schutz vor der Nässe, wie einen Schatz hütete. Er ging weiter zur Schule, kam ab und an bei Freunden unter, fühlte sich aber meist fehl am Platz, und die Zeiten, die er bleiben konnte und wollte, wurden immer kürzer und die auf der Straße immer länger. Die Gewalt, mit der er dort konfrontiert wurde, sowohl von Passanten als auch von anderen Obdachlosen, hat Spuren hinterlassen.

Ich habe viel gesehen. (...) Wenn du meine Zähne anguckst, die ganze obere Reihe war rausgeschlagen, das sind ja alles neue Zähne. Man kämpft. Ich hatte immer zwei Feuerzeuge in den Faustballen, um immer vorbereitet zu sein, und ich hatte meinen Schlafsack nie ganz zugezogen ... damit ich wirklich schnell reagieren kann. (...) Das ist die Realität auf der Straße.

Jugendamt und Familienbehörde waren hilflos

Zwischen Jugendamt und Familienbehörde wurde die Zuständigkeit für ihn hin- und hergeschoben – niemand fühlte sich wirklich zuständig. Er lernte nur, wie man den Antrag für's Arbeitslosengeld ausfüllt. Die erste vermittelte Wohnung war eine Baustelle. An die wenigen guten Zeiten erinnert er sich vor allem über die Musik. Aretha Franklin und der Rapper Jay Z halfen ihm, schlechte Gedanken und Momente zu überstehen.

Sein Glück ist seine offene Art und der starke Wille, zu helfen. Über Umwege begann er sich 2015 in der Flüchtlingshilfe in Hamburg zu engagieren. Er half Amin – heute sein bester Freund – sich in Deutschland zurechtzufinden und fand so selbst den Weg weg von der Straße. Er arbeitet als Lehrer und schreibt eine Kolumne für die Hamburger Morgenpost.

Mit Mitstreitern gründet er die Initiative GoBanyo, die seit 2019 in Hamburg einen Duschbus betreibt. Der Bus sucht die Menschen vor Ort auf und bietet die Möglichkeit in privater Atmosphäre und ohne Zeitdruck zu duschen. Pflegeprodukte und frische Unterwäsche werden gestellt. Seit 2020 wird der Bus durch ein Duschdorf ergänzt. Als Sprecher der Initiative lenkt Dominik Bloh in Interviews und Talkshows den Blick auf obdachlose Menschen und ihre so selbstverständlichen Bedürfnisse. Für dieses außergewöhnliche Engagement wurde Dominik Bloh am 5. Dezember 2022 im Schloss Bellevue von Frank-Walter Steinmeier mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Dieses Thema im Programm: Bemen Zwei, 5. Dezember 2022, 10:10 Uhr

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