Im Porträt Wie Bestseller-Autor Daniel Schreiber sich seiner Trauer stellte

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Schriftsteller Daniel Schreiber schaut in die Kamera
Nach dem Alleinsein hat Daniel Schreiber nun über die Trauer um seinen Vater geschrieben. Bild: Florian Hetz

Wie können wir trauern? Was tun, wenn etwas unwiederbringlich verloren ist? Was macht der Schmerz mit uns? Mit diesen Fragen setzt sich Daniel Schreiber in seinem neuen Buch "Die Zeit der Verluste" auseinander.

Schriftsteller Daniel Schreiber schaut in die Kamera

Gesprächszeit Daniel Schreiber über den Tod seines Vaters und sein neues Buch

Wie können wir trauern? Was, wenn wir uns verloren fühlen? Mit diesen Fragen setzt sich Daniel Schreiber in seinem Essay "Die Zeit der Verluste" auseinander.

Bild: Florian Hetz

Daniel Schreiber hat in den letzten Jahren viele sehr persönliche Bücher geschrieben. Sie heißen "Zuhause", "Nüchtern" und "Allein" – und jetzt "Die Zeit der Verluste". Seinen Leserinnen und Lesern möchte er damit ein Angebot machen, Themen wie Heimat, Alkoholsucht oder Einsamkeit für sich durchzuarbeiten. "Ich zeige schon sehr viel von mir" gesteht Schreiber. Aber: "Ich glaube, dass es wichtig ist, diese persönlichen Seiten zu schreiben, weil nicht genügend darüber sprechen."

Die seltsame Zeitlichkeit der Trauer

In "Die Zeit der Verluste" schreibt Daniel Schreiber nun über seine Trauer um seinen verstorbenen Vater und über kollektive, gesellschaftliche Verluste. In seinem Essay beschreibt er einen Tag in Venedig und hat eine neue Form des Schreibens ausprobiert. Es gibt Rückblenden in die Vergangenheit, aber auch Vorschauen in die Zukunft. "Die Trauer hat eine seltsame Zeitlichkeit, weil so viel in die Gegenwart einfällt. Weil die Zukunft in die Gegenwart einfällt in Form von Fantasien und Ideen. Weil die Gegenwart natürlich immer von der Vergangenheit geprägt ist."

Ich war vollkommen aufgelöst als ich von der Diagnose meines Vaters erfahren habe.

Daniel Schreiber über die Krankheit seines Vaters

Sein Vater hatte Lungenkrebs und war lange krank, so dass Schreiber die Chance hatte, sich zu verabschieden. "Das heißt aber nicht, dass es einfach ist", so der Autor. "Ich war vollkommen aufgelöst als ich von der Diagnose meines Vaters erfahren habe", erinnert er sich.

Verdrängen ist menschlich

In seinem Buch schreibt Daniel Schreiber auch darüber, dass unsere Gesellschaft es honoriert, wenn jemand schnell mit seinem Verlust abschließt und es schafft, wieder nach vorne zu blicken. Das hat er auch selbst erlebt: "Es gibt immer wieder Leute, mit denen man einmal redet und die dann so tun, nach diesem Gespräch wäre alles in Ordnung." Den Wunsch nach Verdrängung kann er aber nachvollziehen: "Beim Schreiben hatte ich immer wieder Tage, wo ich dachte, ich möchte das gar nicht schreiben. Ich möchte eigentlich wie alle anderen Menschen in dieser Situation auch fröhlich verdrängen und so tun als wäre gar nichts Schlimmes passiert."

Aufgewachsen auf dem Dorf

1977 geboren, ist Daniel Schreiber in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen. Seinen Eltern ist er sehr dankbar, wie sie ihn haben aufwachsen lassen. In vielen seiner Bücher hat Daniel Schreiber über seine sexuelle Orientierung geschrieben, über Scham und über das Aufwachsen in einem Dorf in den Achtziger Jahren. 1996 hatte er vor seinen Eltern sein Coming-Out. "Meine Mutter war zögerlich und hatte sich ein bisschen Zeit erbeten, damit klarzukommen. Und mein Vater meinte sehr gelassen, 'Okay, du musst machen, was dich glücklich macht'."

Ich finde es sehr wichtig, die Liebe wertzuschätzen, die uns als Kinder von unseren Eltern entgegengebracht wird.

Daniel Schreiber über die Bindung zu seiner Familie

Trotzdem glaubt Schreiber, dass sein Vater, der immer zu dieser Aussage stand, noch eine Weile brauchte um die Homosexualität seines Sohnes für sich zu akzeptieren. "Ich glaube, es ist eine meiner sehr schönen Erinnerungen an ihn. Wir alle haben nie eine rundum einfache Beziehung zu unseren Eltern und ich finde es sehr wichtig, die Liebe wertzuschätzen, die uns als Kinder von unseren Eltern entgegengebracht wird."

Kein Lebensentwurf macht rundum glücklich

Über die "unerschütterliche Verbindung" zu seiner Familie ist Schreiber heute sehr dankbar. Das Buch "Allein" hat Schreiber 2021 aus dem Hadern heraus, dass er schon so lange ohne Beziehung lebte, geschrieben. "Ich dachte immer, ich werde einen Freund, einen Mann haben und wir werden Kinder adoptieren und in einem sehr schönen Haus in einem sehr schönen Ort leben“, schmunzelt er. Die Gesellschaft, sagt er, hat ihm das Gefühl des Scheiterns vermittelt, wenn er dieses Familienbild nicht realisiert. Doch dann hat Schreiber festgestellt, dass kein Lebenswurf rundum glücklich macht und man auch in ambivalenten Lebensentwürfen sehr glücklich werden kann. "Als ich aufgewachsen bin war das Alleinsein, das Alleinleben kein Lebensentwurf, der einem präsentiert wurde. Heute ist das möglich."

Letztlich geht es bei Büchern immer darum, dass im besten Fall Gespräche angestoßen werden.

Daniel Schreiber über die Wirkung seines Schaffens

Heute lebt der 46-Jährige in Berlin, wo er es genießt, in tiefe Recherche- und Schreibphasen einzutauchen. Als Schriftsteller ist er inzwischen sehr erfolgreich – sein letztes Buch "Allein" wurde ein Spiegel-Bestseller. Und obwohl es ihm manchmal schwerfällt, stolz auf das Erreichte zu sein, freut er sich über die Wirkung seiner Bücher: "Letztlich geht es bei Büchern immer darum, dass Menschen sie lesen, dass Menschen etwas damit anfangen können, dass eine Kommunikation einsetzt. Dass im besten Fall Gespräche angestoßen werden, dass es was mit Menschen macht in ihrem Leben."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 21. November 2023, 18:05 Uhr

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