Die regionale Reportage Brutalismus-Architektur in Bremerhaven: hässlich oder Baukunst?

Autor/Autorin

  • Catharina Spethmann
Hochhaus aus Sichtbeton
Vor 50 Jahren wurde das Bremerhavener "Haus des Handwerks" gebaut – ein Betonbau im Stil der Zeit. Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Sie sind groß, klobig und aus Beton: Bauwerke im Stil des Brutalismus polarisieren. Sind sie ästhetisch oder einfach nur hässlich? Bremen-Zwei-Reporterin Catharina Spethmann ist der Frage in Bremerhaven nachgegangen.

Hochhaus aus Sichtbeton

Brutalismus-Architektur: das "Haus des Handwerks" in Bremerhaven

17 Stockwerke, grauer Beton: Das Haus des Handwerks wurde im Stil des Brutalismus gebaut. Über die Ästhektik des Gebäudes lässt sich streiten.

Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Stoisch dominiert das "Haus des Handwerks" den Elbinger Platz – seit rund 50 Jahren. Keine Gnade zeigt ein Passant für das 17-stöckige Hochhaus: "Grau, Beton – es passt sich ein bisschen in die Szenerie hier mit ein – aber schön ist es nicht."

Gebäude prägt das Stadtbild

Hochhaus aus Sichtbeton
17 Stockwerke hoch: Das "Haus des Handwerks" ist ein imposantes Bauwerk. Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Als das Haus im Oktober 1971 übergeben wurde, klang das ganz anders. Damals berichtete die Bremerhavener Nordsee-Zeitung: "Jetzt, nachdem die Gerüste gefallen sind, zeigt es sich, dass das Gebäude als ein wirklich gelungenes Werk des Architekten Bohnsack anzusehen ist. Das Handwerk hat mit dem imponierenden modernen Bauwerk mitten im Herzen der Stadt […] ein Gebäude geschaffen, durch welches das Stadtbild der Seestadt in entscheidendem Maß mitgeprägt wird. Das örtliche Handwerk hat damit dem übrigen Handwerk gleichzeitig ein Beispiel gegeben: Es knüpft an alte handwerkliche Traditionen an – denn einst waren es die prächtigen Zunft- und Gildehäuser, die den mittelalterlichen Städten ein entscheidendes Gepräge gegeben, betonen die Handwerker."

Bauen für die autogerechte Stadt

Kein Zweifel, das "Haus des Handwerks" ist ein Kind seiner Zeit. Gebaut wurde es von der Bremer Treuhand, zugeschnitten auf das damalige Ideal einer autogerechten Stadt, erklärt Eberhard Syring, ehemaliger Leiter des Bremer Zentrums für Baukultur. Und es passte in einen großen Plan: "Man kann das auch in Zusammenhang mit der Stadtplanung von Ernst May Anfang der sechziger Jahre sehen." Der hatte für Bremerhaven einen Generalbebauungsplan vorgesehen und einen Kranz von Hochhäusern um das Bremerhavener Zentrum an der Deichstraße geplant. "Das Haus wäre gewissermaßen so ein Hochhaus-Ergänzungsgebäude, das dieser Innenstadt nochmal von Süden wie ein Stadttor vorgelagert worden ist."

Stadtplanung für Bremen, Bremerhaven und Magnitogorsk

Ernst May plante in den 1950er Jahren in Bremerhaven den Geestemünder Ortsteil Grünhöfe, in Bremen die Gartenstadt Vahr und die Neue Vahr. Davor hatte er in den 1930er Jahren in der Sowjetunion neue Städte entworfen. An der Bremerhavener Deichstraße wurden in den 1950er Jahren fünf Wohnhochhäuser gebaut. Und eben am Elbinger Platz das "Haus des Handwerks", nach Plänen von Helmut Bohnsack. Er hatte einige Jahre zuvor auch den Columbusbahnhof entworfen.

Hochhaus aus Sichtbeton
Architekt Helmut Bohnsack plante das Gebäude. Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann


Eberhard Syring erklärt das Gebäude: "Die Idee ist quasi eine horizontale Bewegung, das ist der Unterbau. Ein viergeschossiger Unterbau mit Büroeinheiten, der sich über die Kontur des Hochhauses hinaus nach Norden erweitert. Aus diesem Unterbau heraus wächst dann eine Hochhausscheibe, die oben noch mal von einem Sondergeschoss abgeschlossen wird."

Der Brutalismus hat eine eigene Ästhetik, die sich bisweilen bewusst an der Grenze zum Hässlichen bewegt.

Eberhard Syring

Der Brutalismus habe eine eigene Ästhetik, die sich bisweilen bewusst an der Grenze zum Hässlichen bewege, erklärt Eberhard Syring – um gewissermaßen eine Ehrlichkeit der Gebäude auszudrücken. "Nur muss man das, was die Bremer Treuhand dann letztlich daraus gemacht hat, schon ein bisschen von dem Ursprungsgedanken abziehen. Es ist eher zu einer ästhetischen Masche geworden, zu einem Stil. Und als solcher auch nicht mehr ganz so originell."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 14. Februar 2022, 10:40

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