Die regionale Reportage Warum es in Bremen eine Straße namens "Papagoyenboom" gibt

Autor/Autorin

  • Lisa-Maria Röhling
Ein Straßenschild
Eine kleine Gasse mit spannender Geschichte: die Straße Papagoyenboom in der Bremer Neustadt. Bild: Radio Bremen | Lisa-Maria Röhling

Wer in der Bremer Neustadt direkt am Fluss unterwegs ist und nicht aufpasst, könnte die kleine Seitenstraße "Papagoyenboom" schnell übersehen. Sie zweigt direkt von der Straße "Am Deich" ab und ist eigentlich nur eine unscheinbare Gasse. Vor vielen hundert Jahren, im späten Mittelalter, aber pilgerten einmal im Jahr unzählige Bremerinnen und Bremer genau hierher – und schossen auf Papageien.

Viele Schaulustige und Feierstimmung, das zeichnet wohl die meisten Schützenfeste in vielen Orten in ganz Deutschland aus. Und solche Feste gab es in Bremen auch schon zum Ende des Mittelalters. Da ging es allerdings nicht nur ums Feiern: Bei einem der Feste drehte sich alles um einen Schießwettbewerb, bei dem die Gewinner ziemlich beeindruckende Preise für sich verbuchen konnten – und dieses Fest fand dort statt, wo heute die Bremer Neustadt ist.

Im späten Mittelalter, um das 15. Jahrhundert, pilgerten einmal im Jahr unzählige Bremerinnen und Bremer genau hierher, erklärt der Historiker Andree Brumshagen: "Die Straße am Papagoyenboom – oder Papageienbaum im Hochdeutschen –  ist der älteste bekannte Standort, an dem die Schützen der Bremer Bürgerwehr ihre Schießwettbewerbe ausgetragen haben. Geschossen wurde dabei auf einen hölzernen Papagei, meistens bunt bemalt, auf einer langen Stange."

Ein hoher Pfahl, an dem ein Papagei aus Holz befestigt war

Das Militär setzte sich aus geworbenen Soldaten aus Städten und Dörfern rund um die Stadt zusammen. Die Bremer Bürger kamen für einen besonderen Militärdienst in Frage, nämlich für die Bürgerwehren. Zu ihnen gehörte auch die Schützenkompanie, sagt Andree Brumshagen, der sich in seiner Doktorarbeit mit der Militärgeschichte Bremens beschäftigt hat: "Die Schützen selber waren ein Verband, der mit zur Bremer Bürgerwehr gehört, aber quasi eigenständig war. Bei den Schützen ging es hauptsächlich um die städtische Verteidigung."

Schon im 14. Jahrhundert gab es einen solchen Schützenverband, wann genau er gegründet wurde, lässt sich laut dem Historiker nicht mehr nachvollziehen. Die Schießwettbewerbe gehörten zu den besonderen Privilegien des Schützenverbands: In den frühen Jahren trugen die Schützen diese mit Armbrüsten aus. Mit der Erfindung tragbarer Feuerwaffen wurden sie zum gängigen Mittel für den Wettkampf. Der dazugehörige Papagoyenboom war Teil des Stadtbilds: Auf einer Karte Bremens aus dem Jahr 1598 ist der hohe Pfahl, an dem der Papagei befestigt wurde, deutlich zu erkennen.

Schützen versammelten sich einmal im Jahr am Papagoyenboom

Historische Abbildung eines Mannes mit einer Armbrust.
Zunächst wurde mit Armbrüsten auf den hölzernen Papagei geschossen, später dann mit Feuerwaffen. Bild: Imago | UIG

Jedes Jahr nach Pfingsten versammelten sich am Papagoyenboom die Schützen, um mit Armbrüsten ihre Schießkünste unter Beweis zu stellen. Historische Überlieferungen zu den Wettbewerben gibt es nicht. Allerdings, sagt Andree Brumshagen, dürften sie ungefähr so abgelaufen sein, wie ein vergleichbarer Wettkampf mit Feuerwaffen, der in einer Chronik aus dem 17. Jahrhundert beschrieben wird:

"Traf man sich um zehn Uhr morgens am Ostertorswall und marschierte dann unter Pfiffen und Trommeln und viel Musik zum Marktplatz. Dort wurde einmal Salut geschossen, dann zog man weiter zum Ansgaritor, dort wurde nochmal Salut geschossen und um 12 Uhr begann dann der Wettbewerb."

Gewinner musste weniger Steuern zahlen

Der Gewinner wurde zum König gekürt und musste der Schützenschaft zwei Fässer Bier ausgeben. Er gewann einen Silberbecher und eine neue Muskete, auch den Papagei durfte er als Trophäe behalten. Außerdem musste er ein Jahr lang keine Verbrauchssteuer zahlen. Wer drei Jahre hintereinander gewann, war sein Leben lang von der Abgabe befreit. Doch nicht nur wegen der Gewinne bedeuteten die Wettbewerbe der Schützenkompanie viel, sagt Andree Brumshagen: "Dieser Schießwettbewerb war eine Möglichkeit, seine Fähigkeiten noch einmal öffentlichkeitswirksam unter Beweis zu stellen und gleichzeitig eben ein Privileg als Anerkennung für ihre Dienste."

Mit der Besiedelung der Neustadt verschwand auch der Papagoyenboom: Schon um 1620 ist er auf keiner Karte Bremens mehr zu sehen. Die Wettbewerbe wurden an verschiedenen Orten in der Stadt weitergeführt, die Armbrüste gegen Gewehre eingetauscht. Die Schützenkompagnie selbst löste sich 1664 auf – ihre festlichen Wettkämpfe haben sich bis heute im Straßennamen Papagoyenboom gehalten.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 16. Juli 2020, 11:38 Uhr

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