Die Morgenandacht Wenn jemand sein Sterben plant
Standdatum: 13. September 2024.
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Pastorin Esther Joas wird dem Wunsch nach Sterbehilfe konfrontiert. Ein Thema, das viel vielschichtiger ist, als es auf den ersten Blick erscheint.
Vor ein paar Jahren habe ich zum ersten Mal jemanden beerdigt, der Sterbehilfe in Anspruch genommen hat. Er wollte seiner Frau folgen, die kurz zuvor gestorben war. Wir haben dann eine gemeinsame Trauerfeier an den beiden Urnen gestaltet. Seitdem werde ich gelegentlich mit diesem Thema konfrontiert. In einem Gespräch berichtete mir eine sehr nachdenkliche, liebenswerte Frau, dass sie nun Mitglied in der DGHS geworden sei: der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben. Sie hadert damit. Sie fühlt sich schuldig vor Gott und ihren Mitmenschen, wenn sie eines Tages aktiv ihr Leben beendet. Aber wenn eine schwere Krankheit sie ereilt, will sie selbst wählen, wann sie stirbt.
Die DGHS sagt, dass sie Menschen helfen will, in Würde zu sterben. Ich stocke. Ist das Sterben ohne aktive Beihilfe etwa würdelos? Oft wünschen sich sehr alte und kranke Menschen in Pflegeheimen und Krankenhäusern den Tod, weil sie ihr Leben unerträglich finden. Manches Leben wird auch durch unseren medizinischen Fortschritt und die Pflicht der Ärztinnen und Ärzte verlängert, obwohl niemand es will. Aber was macht es mit einer Gesellschaft, wenn wir den Zeitpunkt des Todes selbst wählen? Ich erinnere mich, wie die Angehörigen damals von der letzten Mahlzeit erzählt haben, die der Sterbewillige sich gewünscht hat, bevor der Arzt gekommen ist, die Infusion gelegt und aufgeklärt hat, wie das Rädchen am Tropf zu bedienen sei. Dieser Schritt muss selbst getätigt werden. Für mich ein unheimlicher Gedanke.
In einer Stellungnahme der Evangelischen Kirche Deutschland von 2023 lese ich neben der unbedingten Forderung nach Suizidprävention Folgendes: "Zum Schutz des Lebens und zur Achtung vor dem einzelnen Menschen gehört auch, wenn eine Entscheidung für einen assistierten Suizid in einer Grenzsituation getroffen wird, die Umsetzung dieser Entscheidung im Rahmen des Rechts zu ermöglichen, dieser Person vorurteilsfrei zu begegnen und sie seelsorgerlich zu begleiten." Es beruhigt die Frau im Gespräch, dass ich bereit wäre, sie zu begleiten und auch ihre Trauerfeier zu gestalten, sollte sie eines Tages Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Ihr war es wichtig, Gott um Vergebung zu bitten für die Schuld, die sie damit nach ihrem Verständnis auf sich nimmt.
Ich merke bei den schwierigen ethischen Fragen am Lebensanfang und Lebensende, wie der Einzelne und die Gesellschaft sich verstrickt und es sehr kompliziert wird, sobald wir in diese Grenzgebiete des Lebens eingreifen. Als Kirche ist es unser Auftrag, vom Leben als Geschenk Gottes zu zeugen, Einsamen und Verzweifelten beizustehen. Wir wollen ihnen beistehen mit ihren Sorgen, bis zum Schluss.