Die Morgenandacht Kratzer und Schrammen gehören zum Leben

Alexander Rolfes
Alexander Rolfes

Die Morgenandacht Kratzer und Schrammen gehören zum Leben

Verwundungen können wir im Leben nicht vermeiden, ist der Theologe Alexander Rolfes überzeugt. Entscheidend ist, was wir daraus machen.

Bild: Katholischer Gemeindeverband Bremen

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Verwundungen können wir im Leben nicht vermeiden, ist der Theologe Alexander Rolfes überzeugt. Entscheidend ist, was wir daraus machen.

Gestern war es mal wieder soweit, beim Ausräumen der Spülmaschine fiel mir ein Topfdeckel aus der Hand und dies mit so viel Geschick, dass er nicht nur auf die Fliesen, sondern auch noch aufs Parkett fiel und einen schönen Kratzer und eine Delle hinterließ. „Tja“, sagte meine Frau mit einem Lächeln, „tja“, sagte auch ich und wir mussten lachen. Denn vor fünf Jahren war das noch ganz anders:
Vor fünf Jahren sind meine Frau und ich in unser jetziges Haus eingezogen. Zu Beginn dieses irgendwie auch irren Projektes mussten wir immer noch in die Bauzeichnung schauen, um zu verstehen, was dort vor uns eigentlich Stein für Stein aufgebaut wurde. Aber irgendwann war es soweit: Wir konnten einziehen und unsere persönlichen Dinge einräumen.

Ich erinnere mich sicherlich nicht mehr an alles, aber daran, dass wir uns an den ersten Tagen im neuen Heim wie auf rohen Eiern bewegten: Alles war neu, perfekte Wände ohne Schrammen, alles sah aus wie "geleckt". Das fühlte sich sehr seltsam an. Als der erste Kratzer an einer Wand dann doch zu sehen war, war der Ärger groß. Freunde lachten bloß und meinten: "Ja, der erste tut immer ganz doll weh."
Wieder war es meine Frau, die ihren Ärger viel schneller als ich in den Griff bekam: "Reg' dich nicht auf! Es wird noch weitere Kratzer geben, dies ist kein Museum, wir leben hier." Und sie sollte Recht behalten. Auf dem Weg zur Arbeit hörte ich das Lied 'Anthem' von Leonard Cohen.

Immer wieder heißt es im Text: There´s a crack in everything, that´s where the light gets in. Es gibt Risse in Allem – aber durch sie scheint das Licht. Ich habe angehalten, eine große Blume und einen Topf gekauft und alles am Abend auf die entsprechende Stelle im Wohnzimmer gestellt. Dort steht die Pflanze bis heute. Sieht gut aus! Ohne den Riss wäre ich nicht darauf gekommen.
Schrammen, Kratzer, Risse – Verwundungen gehören zum Leben dazu, es ist ganz einfach. Die Frage kann nicht immer lauten, wie wir sie vermeiden. Das klappt nicht, so sehr wir es auch versuchen. Und wenn es passiert ist, dann lautet die Frage: Was mache ich aus dieser Wunde?

Alexa Feser, eine deutschsprachige Singer-Songwriterin, singt in ihrem 2019 veröffentlichten Lied "Mut" genau davon: Vom Mut, nach dem Scheitern wieder von vorne anzufangen. Davon, wie es ist, mit der "Angst zu tanzen", "Pflaster auf die Haut zu kleben" und es erneut zu versuchen.

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