Die Morgenandacht Sprache

Wolkenhimmel, dahinter Lichtstrahl

Die Morgenandacht Sprache

"Kein Platz für Gewalt". So heißt eine aktuelle Veranstaltungsreihe der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie setzt sich mit den Themen "Gewalt" und "sexualisierte Gewalt" auseinander. Die Morgenandachten dieser Woche sind Teil dieser Reihe.

Bild: Pixabay

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"Kein Platz für Gewalt". So heißt eine aktuelle Veranstaltungsreihe der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie setzt sich mit den Themen "Gewalt" und "sexualisierte Gewalt" auseinander. Die Morgenandachten dieser Woche sind Teil dieser Reihe.

"Und was soll das nun helfen?"
Das Ehepaar steht vor der Bank in orange auf der Wiese vor der Kirche und schüttelt missmutig den Kopf. Der Blick der beiden hängt an den Worten, die auf der Bank stehen:
Kein Platz für Gewalt.
"Und eine Bank hilft da jetzt gegen? Gegen Gewalt und Missbrauch und so?"
Die Worte des Mannes richten sich herausfordernd an mich.
Ich warte einen Moment ab, schaue die Frau an.
Sie kaut an ihrer Unterlippe. Schaut ihren Mann an. Sagt leise: "Schweigen macht einsam."
Dann holt sie tief Luft. Wiederholt. "Schweigen macht einsam."

Und dann erzählt sie von ihrer Cousine. Die sei eine ganz Muntere gewesen. Früher. Ganz munter und hatte viele Freunde. Hat sich überall engagiert. Auch in der Kirche. Und dann ist da was passiert. Was genau, darüber wurde nie gesprochen. Hat sie nie erfahren, um was es eigentlich ging. Mit der Cousine hat sie darüber auch nie gesprochen. Überhaupt, seit dem Vorfall wurde mit der Cousine im Prinzip gar nicht mehr gesprochen.

Der Blick der Frau hängt an der Bank und den Worten. Kein Platz für Gewalt.
Ihr Mann tritt unruhig von einem Bein aufs andere. Sagt: "Das ist ja nu auch lange her. Da wollen wir doch jetzt auch nicht…"
"Schweigen macht einsam" – sagt die Frau ein drittes Mal. Jetzt deutlich energischer. Sie blickt ihm in die Augen. "Hätte mal irgendjemand was gesagt, dann hätte man bestimmt helfen können. Stattdessen haben wir alle geschwiegen. Du und ich auch."

Und sie erzählt, dass die Cousine irgendwann nicht mehr zu den Familientreffen eingeladen wurde. "Sie hat zu laut geschwiegen." Sagt die Frau. "Und trotzdem hat sie niemand gehört."

Schweigen macht einsam. Denke ich. Schweigen treibt uns Menschen in die Einsamkeit. Schweigen fühlt sich für eine Zeit an wie Sicherheit.
Aber dann macht es einsam. Weil wir keine Worte finden, für das, was uns passiert. Für das, was man uns antut.
Wir müssen das Schweigen brechen. Müssen für die Betroffenen das Schweigen brechen. Einen Weg bahnen, damit sie Worte finden können. Damit wir sie hören.

Der Mann nimmt die Frau an die Hand. Beide blicken auf die Worte in schwarz auf der Bank in orange: Kein Platz für Gewalt. Die beiden nicken mir zu und gehen weiter.

Autor/Autorin

  • Ragna Miller

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