Auf der Bühne Premiere: "Tom auf dem Lande" – ein Stück, das Fragen stellt
Standdatum: 12. Februar 2024.
Der Titel ist trügerisch, er klingt nach Weite, nach Maisfeldern bis zum Horizont und frischer Luft. Das Stück "Tom auf dem Lande" stammt von dem Kanadier Michel Marc Bouchard und hat so gar nichts mit ländlicher Idylle zu tun.
Worum geht es?
Toms Lebenspartner Guillaume ist bei einem Verkehrsunfall gestorben. Tom reist aus der Großstadt zur Familie des Verstorbenen auf's Land. Die Angehörigen kennen Tom nicht und wissen auch nicht beziehungsweise wollen nicht wahrhaben, dass ihr toter Sohn und Bruder schwul war. Die Familie besteht eigentlich nur noch aus zwei Menschen: Die trauernde Mutter, die eimerweise Nudelsalat macht und der homophobe Bruder Francis, der seine Wut entlädt, indem er Autoreifen durch die Gegend wirft.
Durch den Todesfall bricht ganz viel auf – und gleichzeitig wird alles verdrängt und überspielt, was nicht dem "Normalen" entspricht.
Was gab es zu sehen?
Das ganze Stück ist als sehr beengendes Kammerspiel angelegt. Es gibt einen Raum mit nur einer Tür. Die Wände sind aus Wellblech. Ein paar Autoreifen liegen herum. Und das Publikum ist mit den Figuren gefangen in den Lebenslügen der Familie.
Wer sollte die Inszenierung nicht verpassen?
Alle, die sich für zeitgenössische aktuelle Themen interessieren. Das "Diktat der Normalität" – so nennt es Bouchard –, das gebe es an vielen Orten immer noch: In Dörfern mit den vermeintlich "Andersartigen" oder innerhalb von Familien. Eine einfach Lösung a la: Akzeptiert euch einfach und alles wird gut, bietet das Stück "Tom auf dem Lande" nicht.
Das Stück stellt Fragen, auch unangenehme, und regt zum Nachdenken an. Teilweise etwas zu viele Fragen gleichzeitig, die da angerissen wurden.
Was sagt unsere Kritikerin?
Wir sind in diesem engen Blechbüchsen-Raum mit nur vier Darstellenden und deshalb zwangsweise fokussiert auf die inneren Entwicklungen der einzelnen Figuren. Tom wird gespielt von Justus Henke. Er füllt die Rolle wirklich toll aus und überzeugt durch ein sehr intensives Spiel. Erst noch als blasser Trauernde, der fassungslos vor dieser Familie steht und dann am Ende hat er selbst Blut an den Händen. Tom ist ein zutiefst erschütterter Charakter und Justus Henke spielt das mit sehr viel Einsatz. Aber auch den anderen Darstellenden gebürt Lob. Ihnen ist es bei der Premiere auf jeden Fall gelungen, die Fragen ihrer Figuren überzeugend zu stellen. Und darauf kommt es ja auch an in einem Kammerspiel.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 10. Februar 2024, 09:50 Uhr.