Luchs des Monats Ein Coming-of-Age-Roman übers Zusehen und Nicht-Eingreifen

Cover: Victor Jestin, Hitze , Kein & Aber
Victor Jestin: "Hitze", erschienen im "Kein & Aber"-Verlag. Übersetzt von Sina de Malafosse. Empfohlen für Leserinnen und Leser ab 14 Jahren. Bild: Kein & Aber

Eigentlich ist Léonard einfach nur ein gelangweilter Teeanger – bis er in seinen Sommerferien im Urlaub an der französischen Atlantikküste eine folgenschwere Beobachtung macht. Und sich mit schweren Selbstvorwürfen konfrontiert sieht.

Der 17-jährige Léonard verbringt mit seiner Familie einen zunächst ereignislosen Sommerurlaub auf einem großen Campingplatz an der französischen Atlantikküste. Die rauschenden Partys, das Geprahle und Gegrapsche der anderen Jugendlichen lassen Léonard kalt – wie überhaupt das Leben. Bis er beobachtet, wie ein anderer Junge sich nachts in den Seilen einer Kinderschaukel erdrosselt – und nichts unternimmt.

Léonard glaubt, nicht Zeuge eines Suizids geworden zu sein, sondern Schuld am Tod des anderen zu haben. Er verscharrt die Leiche und taumelt die verbliebenen Urlaubstage wie im Fieberwahn durch die Bullenhitze. Während er permanent fürchtet, die Leiche könne entdeckt werden, stellt Léonard fest, dass sein Leben auf seltsame Weise intensiver ist als je zuvor.

Cover: Victor Jestin, Hitze , Kein & Aber
Victor Jestin, Hitze, Kein & Aber

Victor Jestin: Hitze

Der Luchs-Preis August geht an Victor Jestin für seinen Debütroman "Hitze", übersetzt von Sina de Malafosse, erschienen beim Kein & Aber Verlag.

Bild: Kein & Aber

Urteil der Jury

Victor Jestin
Die Jury lobt Victor Jestin für seine "klare, sachliche, manchmal geradezu poetische Sprache". Bild: Flammarion | Pascal Ito

"Das alles hat mitunter etwas beiläufig Morbides und funktioniert erzählerisch nur, weil der Autor nicht vordergründig moralisiert – obwohl am Schluss die Moral durch einen Akt erzählerischer Gerechtigkeit wiederhergestellt wird", urteilt Hartmut El Kurdi in der "Zeit". "Auch die klare, sachliche, manchmal geradezu poetische Sprache unterstützt die Ambivalenz und hält die Geschichte in der Schwebe." In diesem Coming-of-Age-Roman leide man zwischendurch mit Léonard, "aber immer wieder ist man auch von seinem Weltekel und seiner Egozentrik abgestoßen. Verurteilen jedoch mag man ihn nicht." Denn letztendlich habe er nichts getan, was nicht alle täglich in den unterschiedlichsten Situationen tun, so El Kurdi: "Zusehen und nicht eingreifen."

Die Luchs-Jury empfiehlt außerdem:

  • das Kinderbuch "Tru & Nelle" von G. Neri (Verlag Freies Geistesleben), empfohlen ab sechs Jahren .
  • das Bildersachbuch "Sommerhaus am See" von Thomas Harding und Britta Teckentrup (Ill.) (Jacoby & Stuart Verlag), empfohlen ab acht Jahren.
  • das Jugendbuch "Home Girl" von Alex Wheatle (Kunstmann Verlag), empfohlen ab 14 Jahren. .

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Tag, 6. August 2020, 15:10 Uhr

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