Die Morgenandacht Wie gelingt Leben?

Ingo Wilberding
Ingo Wilberding

Die Morgenandacht Wie gelingt Leben?

Unser Leben lang sind wir getragen von Beziehungen, zu einem Du. Ohne könnten wir gar nicht leben, meint Caritas-Mitarbeiter Ingo Wilberding.

Bild: Katholischer Gemeindeverband Bremen

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Wie gelingt Leben? Eine herausfordernde Frage. Schaue ich in die Bibel, dann zeigt uns Gott durch den Propheten Jesaja vier Dinge:

"Brich dem Hungrigen dein Brot, nimm Obdachlose ins Haus auf, wenn du einen Nackten siehst, bekleide ihn und entziehe dich nicht deiner Verwandtschaft." Also: Wie gelingt mein Leben? Nach Jesaja kurz gesagt wohl: Wenn ich nicht bei mir stehenbleibe. Martin Buber, der große jüdische Gelehrte, schrieb 1970 ein für Theologen-Verhältnisse mit hundert Seiten eher dünnes Büchlein mit dem Titel "Ich und du". Er erkannte, dass wir alles, was uns im Leben begegnet, vor allem auch die Menschen, die uns begegnen, als "Es" verstehen können – als Objekte, als Gegenstände, die einfach vorhanden sind und mit denen wir im besten Fall umgehen können. Oder aber wir verstehen das, was uns begegnet, als "Du", zu dem wir in Beziehung stehen. Vor allem aber erkannte Martin Buber, dass wir erst an diesem Du, an diesen Beziehungen zu den Anderen, überhaupt zu uns selbst werden, zum "Ich".

"Der Mensch wird erst am Du zum Ich", so beschreibt er es. Wie nur wenige Sätze ist mir dieser schon seit langer Zeit im Kopf. Der Mensch wird erst am DU zum ICH. Wir sind also nicht einsam und allein in dieser Welt, lauter einzelne Ichs, die sich irgendwie zurechtfinden müssen. Unser ganzes Leben lang sind wir getragen von Beziehungen, mal besseren, mal schlechteren, aber ohne diese Beziehungen könnten wir gar nicht leben. Wir sind auch nicht nur dazu in der Welt, um uns selbst zu verwirklichen, es sei denn, Selbstverwirklichung meint, dass wir am Du zum Ich werden.

Die meiste Zeit bin ich wohl unvermeidlich im Es-Modus: Nur so, so meine ich, kann ich mein Leben ordnen, indem ich etwas will, etwas erfahre, benenne, beurteile. Aber in all dem, sagt Martin Buber, sind wir ja doch nur mit uns beschäftigt – und eben mit der Welt und unseren Mitmenschen gar nicht verbunden. Verbundenheit kann es nur da geben, wo ich die Dinge und Menschen nicht mehr mir bloß zuordne, sondern mich ihnen öffne. Das Du, dem ich mich öffne, wirkt auf mich, bewegt und verändert mich.

Noch einmal zurück zu Jesaja: Natürlich kann ich Hunger, Obdachlosigkeit, Armut und Verwandtschaftsbeziehungen statistisch erfassen, bewerten und auswerten. Das allein bringt aber weder Bewegung noch Veränderung. Erst das hungernde DU bewegt mich zur Hilfe, das obdachlose DU zur Aufnahme, das arme DU zur Spende, das verwandte DU zur Familie. Was würde passieren, wenn wir so dächten? Jesaja wäre kein Prophet, wenn er nicht von Gott die Verheißung brächte: "Dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag."

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  • Ingo Wilberding

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