Die Morgenandacht Erinnerungen

Ulrike Bänsch
Ulrike Bänsch

Die Morgenandacht Erinnerungen

"Du schaffst das Gnom!" Ein kleiner vergilbter Zettel, der ihr in die Hand fällt, weckt in Pastorin Ulrike Bänsch ganz besondere Erinnerungen.

Bild: Bremische Evangelische Kirche

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"Du schaffst das Gnom!" Ein kleiner vergilbter Zettel, der ihr in die Hand fällt, weckt in Pastorin Ulrike Bänsch ganz besondere Erinnerungen.

"Glaubst du wirklich, dass sie für immer da bleibt"? fragt Hanna und schaut mich mit großen Augen an. Ihre Hand deutet auf ihr Herz. Wir stehen auf dem Friedhof. Die Sommersonne glitzert durch die alten Bäume. Eben haben wir in einer Trauerfeier Abschied von Hannas Oma genommen und sie beerdigt. Hanna ist jetzt zwölf Jahre. Sie hatte ein enges Verhältnis zu ihrer Großmutter. Die beiden haben sich fast jeden Tag gesehen. Sie haben viel zusammen gespielt. Die Oma hat ihr Geschichten von früher erzählt und von ihrem Glauben an Gott. Außerdem hat sie ihr beigebracht, wie man die besten Pfannkuchen der Welt macht. "Ja", antworte ich, "sie wird dir auch in Zukunft nahe sein, natürlich anders als bisher. Ich glaube, dass sie jetzt in Gottes Ewigkeit und in deinem Herzen ist. Vielleicht kommt dir in den Sinn, was sie sagen würde, wenn du einmal einen Rat brauchst. Du wirst an sie denken, wenn du ihre Lieblingsblumen siehst. Sie wird dir nahe sein, wenn du Pfannkuchen bäckst."

Später als ich allein bin, denke ich: wie gut, dass wir die Erinnerungen an unsere Verstorbenen haben. In ihnen bleiben sie uns nahe solange wir sind.
Manchmal begegnen dir alte Erinnerungen ganz überraschend. Mir ist das vor einiger Zeit mal so gegangen. Ich habe ein altes Buch gesucht. Als ich einige Bücher aus dem Regal ziehe, in die ich schon ganz lange nicht mehr reingeschaut habe, fällt aus einem Buch ein vergilbter kleiner Zettel. Ich hebe ihn auf und sehe darauf unverkennbar die Handschrift meines großen Bruders. "Du schaffst das Gnom" ist dort zu lesen. Daneben ist ein lachendes Gesicht gemalt. Gnom hat mein großer Bruder mich früher oft genannt, manchmal um mich zu ärgern, manchmal liebevoll. Ich erinnere mich sofort, dass mein Bruder mir diesen Zettel einmal lange vor den Zeiten von Smartphones und WhatsApp morgens auf den Küchentisch gelegt hat. Es war damals der erste Schultag am Ende der Sommerferien. Ich kam in eine neue Schule und war ein bisschen wehmütig und sehr aufgeregt. Mein Bruder hat mir mit seinem morgendlichen Küchenzettelgruß Mut gemacht: "Du schaffst das Gnom."

Ich habe den Zettel aufbewahrt und als Lesezeichen benutzt. Dann habe ich ihn über viele Jahre vergessen. Als der Zettel vor einiger Zeit aus dem Buch fiel, kam die Botschaft für mich gefühlt genau im richtigen Moment, und ich musste lange lachen und weinen zugleich. Mein Bruder ist vor mehr als 32 Jahren gestorben, aber irgendwie ist er trotzdem noch immer in meinem Leben, und das ist gut so.

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  • Ulrike Bänsch

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