Die Morgenandacht Verbindung gekappt

Ulrike Oetken
Ulrike Oetken

Die Morgenandacht Verbindung gekappt

Zwei Tage ohne Handy. Ein unvorstellbarer Alptraum für die meisten Menschen. Pastorin Ulrike Oetken ist es passiert – und es war gar nicht so schlimm.

Bild: Bremische Evangelische Kirche

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Morgens auf dem Weg zu einer mehrtägigen Tagung in Leipzig: Packen, Katze versorgen, in den Zug, den reservierten Platz finden, Koffer verstauen, hinsetzen, ausatmen. Nach einer Weile: Tasche öffnen, das Handy suchen, um die Anschlüsse zu checken. Das Handy! Wo ist es? Gründlicher suchen, hektischer werden. Das Handy nicht finden, panisch werden, wieder aussteigen wollen, aber der Zug ist schon abgefahren. Das Handy ist nicht da. Kann es auch nicht. Es liegt zuhause auf dem Frühstückstisch und lädt auf.

Und jetzt?  Wie soll das alles gehen: Bahn-App, Impfzertifikat, Telefon, den Stadtplan googeln, Nachrichten verschicken, erreichbar sein? Fieberhaftes Nachdenken, Herzklopfen, die Tasche noch einmal ganz gründlich durchsuchen, es verstehen: mehrere Tage ohne Handy liegen vor mir. Irgendwie muss es gehen. Immerhin gibt es eine Möglichkeit von Zeit zu Zeit Mails zu lesen und zu schreiben.

Der Puls beruhigt sich, die Muskulatur entspannt sich. Der Blick wandert aus dem Fenster. Da draußen ist es schön grün. Interessant, wer hier alles sitzt. Nachdenken: In Leipzig warst Du schon einmal vor Jahren. Wie sah es dort noch einmal aus? Bilder stellen sich ein. Ich glaube mich auszukennen. Bei der Tagung in den Pausen Kaffee trinken, reden, nachsinnen. Andere bleiben am Tisch sitzen und starren auf das Display. Am Abend kein Telefonat, keinen Wecker stellen. Morgens wache ich von selbst zur richtigen Zeit auf. 

Am Abend spät bekomme ich mein Handy wieder zu Gesicht. Per Express wurde es mir nachgeschickt. Ich  bin etwas enttäuscht, dass es offenbar auch einen ruhigen Tag hatte. Nur ein Anruf. Ich schüttele es, aber es bleibt dabei. Aber fällt auf, in welch behüteter, geordneter, funktionierender Welt ich lebe. 39 Stunden ohne Handy sind gar kein Problem. Gleichzeitig ist es anderswo die einzige Verbindung nach zuhause oder zu den Menschen, die man liebt. Dieses Gerät, ein Aufladekabel und eine Steckdose können existentiell sein. Daran muss ich denken.

Und ich versuche mir vorzustellen, wie viele Gebete gerade gesprochen werden, die Gott einen Menschen ans Herz legen, dessen Schicksal unbekannt ist. Wieviel Aushalten, wieviel Schmerz. Und so beende ich auch meinen Tag und bitte Gott für alle, deren Verbindung gekappt wurde.

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