Die Morgenandacht Alltagswege

Ulrike Oetken
Ulrike Oetken

Die Morgenandacht Alltagswege

Auch der Weg zur Arbeit ist Lebenszeit. Und wenn man aufmerksam hinsieht, sogar eine ganz besondere Zeit. Pastorin Ulrike Oetken nimmt uns mit auf ihren Arbeitsweg.

Bild: Bremische Evangelische Kirche

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Auf welchem Weg werden Sie heute Morgen zur Arbeit kommen? Oder zur Schule, zur Uni oder wo Sie sonst so hinmüssen.  Und was werden Sie dabei alles erleben? Wie wird  beeinflusst es Ihren Tag beeinflussen? Mein Weg beginnt damit, dass ich mein Fahrrad morgens aus dem Garten hole. Da wartet meistens meine Katze, die immer erst dann ins Haus will, wenn ich eigentlich schon halb unterwegs bin. Also nochmal die Haustür aufschließen, sie rein lassen und versprechen, abends ganz bestimmt wieder zu kommen. Am Stern muss ich mich konzentrieren: es ist der größte Unfallschwerpunkt Bremens und nicht alle, die ihn passieren, wissen, wie Kreisverkehr funktioniert. 

In der Parkallee lausche ich darauf, ob in der Oberschule am Barkhof schon der Musikunterricht begonnen hat. Manchmal dringt aus der Aula mit viel Power der Klang der Schul-Bigband auf die Straße. In der Remberti-Straße schaue ich zu den Balkonen am Wohnblock Ecke Breitenweg hinauf. Dort habe ich als Studentin einmal eine Frau betreut, als ich in den Semesterferien in der Hauspflege gearbeitet habe. An diese Frau denke ich dann immer. Ich nähere mich den Wallanlagen. Dann kommt ein Moment, auf den ich mich freue: Der Akkordeonspieler auf der Bank rechter Hand mit seiner roten Jacke zu allen Jahreszeiten bei jedem Wetter. Er verbeugt sich leicht und lächelt mir zu. 

In der Unterführung Bischofsnadel grüßt rechts der Inhaber der Änderungsschneiderei und links der ältere Herr, der dort morgens immer im Tunnel sitzt und dem ich gelegentlich etwas in sein Körbchen lege. Beide rufen mir ein "Guten Morgen!" zu. Die Bischofsnadel ist trotz des Tunnelambientes deshalb ein Höhepunkt auf meinem Arbeitsweg. Wieder aufgetaucht ragt plötzlich der Dom vor mir auf. Ich bin immer wieder überrascht, wie mächtig er wirkt. 

An der Domsheide wird es wieder kniffelig zwischen Straßenbahnen, Bussen, Passant:innen, Radfahrer:innen und Autos. Fast geschafft.
Aber jetzt kommt noch die kurze Strecke über die Brücke, bei der mir jeden Morgen das Herz aufgeht. Der weite Blick über die Weser zum Weserstadion und zur Stephani-Kirche. Manchmal bleibe ich hier noch einmal stehen und bewundere die Aussicht, die jeden Tag, je nach Licht und Wetterverhältnissen anders ist. Dann noch über die Ampel hinter der Brücke, das Fahrrad anschließen und ich bin da.  Jetzt habe ich schon richtig viel erlebt. Und das jeden Morgen. Unsere Wege sind unsere Lebenszeit. Und sie sind erfüllte Lebenszeit. Das wird mir jeden Morgen wieder klar. 

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