Im Porträt Sprache als Werkzeug für ruhigeres Leben: Autorin Kathrin Weßling

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Eine junge Frau sitzt vor einer sandfarbenen Wand
Hat erlebt wie befreiend eine richtige Diagnose sein kann: Kathrin Weßling Bild: Kathrin Weßling

Kathrin Weßling hat als Teenie und in ihren "Zwanzigern" mit wechselnden Diagnosen gelebt. "Nix hat geholfen, mir ging es nur noch schlechter". Dann war klar: Sie hat ADHS. Das hat alles für die Autorin, Journalistin und Social Media Expertin verändert. Heute kann Kathrin Weßling ohne psychische Abstürze, Rückfälle in Depressionen und gut organisiert leben.

Eine junge Frau sitzt vor einer sandfarbenen Wand

Gesprächszeit "Die Diagnose war meine absolute Rettung" – Kathrin Weßling

Kathrin Weßling lebte lange mit wechselnden Diagnosen. Dann war klar: Sie hat ADHS. Das hat alles für die Autorin und Social Media Expertin verändert.

Bild: Kathrin Weßling

Sprache ist Kathrin Weßlings Werkzeug. Sie schreibt auf Twitter oder Instagram, Kurzgeschichten und Romane sowie Artikel für "Zeit Online" und den "Spiegel". Sie schreibt über Feminismus und Popkultur, ist vielen aber auch durch ihren Blog "Drüberleben" bekannt geworden. Darin hat Kathrin Weßling ihre Gedanken über ihre psychischen Erkrankungen festgehalten.

Ich war ein richtig schlimmes Krawall-Kind.

Kathrin Weßling über ihre Kindheit, in der niemand erkannte, dass sie ADHS hat

Aufgewachsen in Ahaus im ländlichen Münsterland, war schon ihre Kindheit nicht einfach. Weil keiner erkannt hatte, dass sie womöglich ein ADHS-Kind mit Hochbegabung sein könnte, war Kathrin Weßling viel alleine: "Ich war extrem laut, wild, auch manchmal aggressiv. Ich bin einfach überhaupt nicht mit mir selber und der Welt zurechtgekommen." Die Kindheit ging nahtlos in eine schwierige Teenager-Zeit über. Kathrin Weßling flog vom Gymnasium und musste sogar an der Realschule noch die zehnte Klasse wiederholen: "Ich war ein richtig schlimmes Krawall-Kind. Mit ständigen Briefen nach Hause, mit Verweisen – es gab ständig Stress mit mir."

Ich war verzweifelt auf der Suche nach jemandem, der mich versteht.

Als Teenager traf Kathrin Weßling auf nur wenige Menschen, die es mit ihr aushalten konnten

Den Traum vom Medizinstudium konnte sich Weßling trotz späterem Abitur schnell abschminken: "Weil ich weder die richtige Diagnose hatte, noch Medikamente, die mir geholfen hätten, mich zu konzentrieren." Was sie gebraucht hätte? Vor allem Verständnis, sagt Kathrin Weßling heute. Ihre Eltern seien überfordert gewesen, Lehrer und Mitschüler lehnten sie ab: "Ich war eigentlich die ganze Zeit verzweifelt auf der Suche nach jemandem, der mich versteht."

Mit Anfang 20 in die Klinik für Depressionen

Zum Studium des "Kreativen Schreibens" in Leipzig wurde Kathrin Weßling mehrfach nicht zugelassen. Stattdessen kämpfte sie mit Panikattacken und Depressionen und schrieb sich zum Notnagel-Studium Germanistik ein. Dann landete sie aufgrund der wiederkehrenden Depressionen mit Anfang 20 in der Klinik: "Ich habe meine ganzen Zwanziger in Kliniken verbracht. Wenn andere Leute in den Urlaub gefahren sind, war ich in Therapien."

Das war schon bitter, zu wissen, ich bin zehn Jahre auf die falsche Diagnose behandelt worden.

Kathrin Weßling über den Moment, wo alles besser wurde

Weßling war arbeits- und orientierungslos, als sie ihren Blog „Drüberleben“ aufsetzte und anfing, über ihre Depressionen und die Aufenthalte in der Tagesklinik zu schreiben. Die Reaktionen waren unterschiedlich: "Viele meiner Freunde und Freundinnen konnten nicht damit umgehen und fanden das befremdlich." Auf der anderen Seite fand sie in dieser Zeit Freundschaften, die bis heute bestehen und außerdem winkte nach dem Erfolg mit dem Blog der erste Buchvertrag. Mit Ende 20 wusste trotzdem immer noch niemand so richtig, was mit Kathrin Weßling los war. Das Thema ADHS - Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung – schwebte im Raum und Weßling übernahm einen letzten Versuch, herauszufinden, was mit ihr nicht stimmt. Und landete den Volltreffer: "Das war schon bitter, zu wissen, ich bin zehn Jahre auf die falsche Diagnose behandelt worden. Mir ging es nur noch schlechter – nichts hat geholfen. Und die Wahrheit lag so nah!"

Die Rettung: Diagnose ADHS

Mit Ende 20, völlig erschöpft von ihrem Kampf mit sich selbst, von Tabletten und Therapien, ist klar: Sie hat ADHS. Die Diagnose hat alles verändert. Die Phasen, in denen es ihr gut geht, werden immer länger. "Die Diagnose war meine absolute Rettung. So krass das klingt, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich nicht mehr leben würde ohne die Diagnose."

Wenn ich erst mal in diesem Schreib-Flow drin bin, dann vergesse ich auch alles um mich herum.

Kathrin Weßling schreibt gerade an ihrem fünften Buch

Und Kathrin Weßling hat es ohne Uni-Abschluss zum Schreiben geschafft. Sie hat sich Hilfe geholt bei der finanziellen Organisation ihres Lebens und inzwischen mehrere Bücher geschrieben. Zuletzt die beiden Romane "Super, und dir?" und "Nix passiert". Aktuell schreibt sie an ihrem fünften Buch, für das sie schon aufgrund ihrer früheren Erfahrungen Schreibnächte einplant: "Wenn ich erst mal in diesem Schreib-Flow drin bin, dann vergesse ich auch alles um mich herum." Sie weiß: Besser wäre es, wenn sie sich täglich kleine Text-Häppchen vornehmen würde. Noch klappt das nicht so gut, doch Kathrin Weßling arbeitet an ihrer Schreibstrategie, um nicht nach einem Buch-Marathon körperlich und psychisch völlig am Ende zu sein: "Es tut auch dem Buch nicht gut. Es ist so, dass gerade schriftstellerische Arbeit auch ein bisschen liegen muss, um nochmal drauf zu gucken."

Lange hat es sich für die Autorin angefühlt, dass sie ihr Leben einfach nicht in den Griff bekommt. Doch seit acht Jahren – seit sie ihre ADHS-Diagnose hat – ist Weßling nicht wieder in ihre Depressionen zurückgefallen. In ihren "Dreißigern" ist es endlich ruhiger geworden in Kathrin Weßlings Leben.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 23. Mai 2023, 18:05 Uhr

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