Im Porträt Film-Regisseur Axel Ranisch über seine Serie "Nackt über Berlin"

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Poträt von Axel Ranisch im Café der komischen Oper.
Bild: Imago | Funke Foto Services

Axel Ranisch tat sich in seiner Jugend mit anderen lange schwer bis er die Oper und den Film für sich entdeckte. Aktuell ist seine Fernsehserie "Nackt über Berlin" auf Arte und im Ersten zu sehen. Das gleichnamige Buch über die Geschichte zweier Schüler, die ihren Direktor in dessen Wohnung einsperren und zum Seelenstriptease zwingen, hat Ranisch selbst geschrieben.

Regisseur Axel Ranisch aufgenommen am 01.06.2023 bei der Filmpremiere von "Orphea in Love" im Kant Kino in Berlin Charlottenburg.

Gesprächszeit Warum Familie so wichtig für Filmemacher Axel Ranisch ist

Axel Ranisch ist Opern- und Filmregisseur. Im Oktober startet im Ersten seine Fernsehserie "Nackt über Berlin" über zwei Schüler, die ihren Direktor einsperren.

Bild: dpa | Xamax

"Nackt über Berlin“ erzählt die Geschichte der beiden 17-jährigen Schüler Tai und Jannik. An ihrer Schule sind sie Außenseiter, aber dann finden sie ihren Schuldirektor betrunken auf der Straße. Sie bringen ihn in seine Wohnung und sperren ihn dort ein. Zunächst ein kleiner Scherz – aber das kleine Abenteuer verselbstständigt sich, weil Tai den Lehrer gar nicht mehr herauslassen will, während für Jannik die Situation immer unangenehmer wird. "Die Schraube zieht sich mit jeder Folge zusammen – es wird immer, immer spannender über die Zeit", so Autor und Regisseur Axel Ranisch.

Das Ganze in einen einzelnen Film reinzupressen, wäre einfach nicht gegangen.

Warum "Nackt über Berlin" eine Serie wurde
Tai (Anh Khoa Trần) und Jannik (Lorenzo Germeno) haben den betrunkenen Schuldirektor Lamprecht (Thorsten Merten) nach Hause geschleppt und wollen ihn unauffällig in seine Wohnung bugsieren.
Tai (Anh Khoa Trần) und Jannik (Lorenzo Germeno) haben ihren betrunkenen Schuldirektor Lamprecht (Thorsten Merten) gefunden. Bild: SWR/Studio.tv.film | Oliver Feist

"Nackt über Berlin" ist eine Serie über Entführung und Gewissen, über Liebessehnsucht und Verantwortungsgefühl – und die Suche nach dem Schuldigen am Suizid einer Schülerin. Dass aus seinem Buch eine Serie wurde, freut den 1983 geborenen Berliner sehr: "Das Ganze in einen einzelnen Film reinzupressen, wäre einfach nicht gegangen. Da hätte ich von zu vielen Dingen Abschied nehmen müssen."

Nie ohne seine Film-Familie

Trotzdem war es eine Herausforderung, den Stoff seines gleichnamigen Buches von 2018 in eine Serie umzumünzen, sagt der Berliner Regisseur. Sein Dank gilt seinem Co-Autoren Sönke Andresen aus seiner "Film-Familie": "Der ist ein wahnsinnig guter Strukturierer, ein extrem guter Dramaturg. Der hat mir geholfen, den Wust an Szenen – 350! – in sechs gleich große Abschnitte zu teilen, die am Ende ihren Cliffhanger haben und ihre eigene Folgendramaturgie. Ich glaube, alleine hätte ich das nicht hingekriegt."

Familie war immer etwas, was mich geerdet hat und was mich gerettet hat.

Axel Ranisch über seine Liebsten

Seine Film-Familie spielt eine große Rolle bei Ranischs Produktionen. Aber auch seine engsten Liebsten sind ihm wichtig: "Familie war immer etwas, was mich geerdet hat und was mich gerettet hat, wenn es mir nicht gut ging, wenn ich in der Schule unglücklich war."

Rachmaninow war der Soundtrack meiner Pubertät.

Axel Ranisch über seine Jugend als Klassik-Liebhaber

Vor allem mit Jannik aus „Nackt über Berlin“ kann sich Axel Ranisch sehr gut identifizieren. Wie seine Filmfigur hat Ranisch schon als Jugendlicher Klassik geliebt, war dicker als die anderen und schwul. Noch autobiografischer ist sein Film "Ich fühl mich Disco", in dem ebenfalls ein übergewichtiger Junge eine Rolle spielt und der viel Musik von Rachmaninow enthält: "Das hat mich weggefegt als Jugendlicher, da bin ich drin aufgegangen. Rachmaninow war der Soundtrack meiner Pubertät."

Sein Vater stellte die entscheidenen Weichen

Ranischs ehrgeiziger Vater war Trainer für Kunst- und Turmspringen und hätte sich vielleicht eine Sportskanone als Sohn gewünscht. Aber statt vom Zehn-Meter-Turm zu springen, wünschte sich der jugendliche Axel Ranisch viel lieber ein Klavier. "Wir haben lange Zeit auf unterschiedlichen Planeten gelebt", sagt er über die Beziehung zu seinem Vater. Und dennoch war er es, der ihm Klassik-CDs aus dem Ausland mitgebracht hatte oder ihn in Wien vor der Volksoper abgesetzt hat. "Spätestens als ich mich relativ spät aber doch mit 23 getraut habe, mich vor meinen Eltern zu outen und dieses Geheimnis endlich nicht mehr verstecken musste, spätestens da hat es angefangen, dass wir ganz nah zusammengewachsen sind."

Seine Oma machte er zum Star

Aufgewachsen ist Ranisch im Berliner Stadtteil Lichtenberg. Er schrieb Gedichte im "Haus der Kinder", stand mit 13 Jahren in einer Theaterwerkstatt das erste Mal auf der Bühne und spürte, was Applaus mit ihm macht: "Ich habe das erste Mal Erfolgserlebnisse erfahren mit dem was ich tue und damit, dass ich mich zeige.“ Sein Vater war währenddessen als Trainer viel im Ausland unterwegs, die Mutter hatte eine eigene Physiotherapie-Praxis und Axel Ranisch verbrachte viel Zeit bei seinen Großeltern.

Ich wusste ja nicht, wie toll Oma spielen kann!

Axel Ranisch über seine Großmutter Ruth Bickelhaupt

Seine Oma Ruth Bickelhaupt, die in den Dreißigern noch Balletttänzerin werden wollte, hat Axel Ranisch auf ihre alten Tage noch zum Star gemacht. Mit 85 bekam sie ihre erste größere Rolle in Ranischs Film "Dicke Mädchen": "Ich wusste nicht, dass daraus ein Kinofilm wird. Ich brauchte einen Diplomfilm! Und dann habe ich mit Oma, Heiko und Peter improvisiert. Und ich wusste ja nicht, wie toll Oma spielen kann!"

Es war immer klar: Wo ich hinkomme, bringe ich irgendwie die ganze Familie und Entourage mit.

Axel Ranisch über Premieren und rote Teppiche

Axel Ranisch lebt noch heute in der Berliner Plattenbausiedlung, in der er aufgewachsen ist. Viele, die dort leben, kennt Ranisch schon sein Leben lang: "Ich lieb‘ das – das ist mein Zuhause. Wenn ich dahin zurückkomme, dann fühlt sich alles richtig an." Als nächstes stehen für den 40-Jährigen Proben für ein Theaterstück am Berliner Ensemble an. Das Stück "Mutti, was machst du da?" hat er zusammen mit seinem Ehemann Paul Zacher geschrieben. Sein Vater und seine Oma sind bereits verstorben, aber seine Familie kommt natürlich immer zu seinen Filmpremieren, Operninszenierungen oder Theaterpremieren: "Wir waren immer im Rudel. Es war immer klar: Wo ich hinkomme, bringe ich irgendwie die ganze Familie und Entourage mit."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 13. Oktober 2023, 18:05 Uhr

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Gesprächszeit mit Kristin Hunfeld

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