Im Porträt Anne Wizorek: "Sexismus-Diskussion nach zehn Jahren nicht am Ende"

Autorin

Autorin und Aktivistin Anne Wizorek (Archivbild)
Bild: dpa | photothek/Michael Gottschalk

Anne Wizorek ist über Nacht zum Gesicht eines neuen, jungen Feminismus geworden, als sie 2013 den Hashtag #aufschrei auf Twitter ins Leben gerufen hat. Unter dem Hashtag haben Tausende Frauen über ihre sexistischen Erfahrungen im Alltag berichtet. Auch heute noch schreibt die Publizistin über Themen wie Sexismus und Feminismus.

Autorin und Aktivistin Anne Wizorek (Archivbild)

Gesprächszeit "Und am Sonntag saß ich bei Günther Jauch" – Anne Wizorek

Vor 10 Jahren entfachte Anne Wizorek eine Debatte mit großer Durchschlagskraft. Sie schlug den Hashtag #aufschrei vor unter dem Sexismus-Erfahrungen geteilt wurden.

Bild: dpa | photothek/Michael Gottschalk

Vor einigen Jahren hat Anne Wizorek sich geoutet – sie sei bisexuell, schrieb sie auf Instagram. Für sie war das eine Befreiung, sagt sie. Dass man sich heute immer noch outen müsse und Bisexualität noch nicht als normal angesehen werde, ärgert sie zwar nicht, aber sie findet es bedenklich, dass bisexuelle Menschen immer noch so wenig sichtbar sind in unserer Gesellschaft.

Feminismus für ein erfülltes Leben für Alle

Anne Wizorek steht für einen neuen Feminismus – der kaum noch etwas mit dem Feminismus von Alice Schwarzer zu tun hat. Im Gegenteil: Anne Wizorek hat Alice Schwarzer eher als negatives Vorbild wahrgenommen. "Warum hat sie Werbung für die Bild-Zeitung gemacht? Das habe ich nicht verstanden." Außerdem habe Schwarzer nichts dagegen, immer nur als alleinige Feministin dargestellt zu werden. Dabei gäbe es eine Reihe neuer junger Feministinnen – denen aber eine ganz andere Form von Feminismus wichtig ist: Nämlich einer, der gegen jegliche Form von Diskriminierung ist. Daher teilt Anne Wizorek zum Beispiel auch nicht die Ansicht Alice Schwarzers, dass Frauen kein Kopftuch tragen dürfen. Sie findet diese Forderung rassistisch.

Mir persönlich liegt ein Feminismus am Herzen, der alle mitdenkt.

Anne Wizorek

In einer idealen Welt stellt Anne Wizorek sich nicht nur vor, dass alle Menschen gleichberechtigt sind, sondern dass auch Geschlechterstereotype keine Rolle mehr spielen. Jeder Mensch sollte sich frei nach den eigenen Interessen entfalten können – beruflich, privat und in der sexuellen Orientierung. Eine Einordnung in homosexuell, genderfluid oder nicht-binär würde es dann auch nicht mehr geben, sagt Anne Wizorek: "Mir persönlich liegt ein intersektionaler Feminismus am Herzen. Also ein Feminismus, der nicht nur die Kategorie Geschlecht, sondern eben auch soziale Herkunft, Behinderung oder nicht, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, ist jemand Rassismus-betroffen oder nicht, das alles mitdenkt".

Erst Aufschrei, dann MeToo

Vor zehn Jahren ist die heute 41-Jährige plötzlich über Nacht zum Gesicht eines neuen, jungen Feminismus geworden, weil sie gemeinsam mit Freundinnen den Hashtag #aufschrei ins Leben gerufen hatte. "Das war sehr abgefahren," sagt sie. "Dass wir nachts diesen Hashtag in die Welt schicken und unsere Erfahrungen teilen, und ich am Morgen schon die ersten Interviewanfragen hatte." In der Nacht zu Freitag ging der Hashtag viral, am Sonntag saß sie in der Sendung von Günther Jauch.

Dass sowohl der Hashtag Aufschrei als auch vier Jahre später dann die MeToo-Debatte sehr viel gebracht haben, sieht Anne Wizorek auch daran, dass die Antidiskriminierungsstelle seitdem viel mehr Anfragen hat. Die Debatte um Sexismus sei dadurch in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sagt sie – wenngleich es noch sehr viel zu tun gäbe.

Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung

In Sachen Gleichberechtigung sei Deutschland auf einer Skala von 1 bis 10 nämlich erst bei 5, so die Publizistin. Daran habe auch die Kanzlerschaft von Angela Merkel und die aktuelle Außenministerin Annalena Baerbock – zumindest bis jetzt – nichts geändert.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 20. Januar 2023, 18:05 Uhr

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Der Vormittag mit Britta Lumma

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