Im Porträt Klimapsychologie: Warum tun wir so wenig gegen die Klimakrise?
Standdatum: 19. April 2022.

Forschende warnen schon seit Jahren vor dem Klimawandel und den dramatischen Folgen. Trotzdem blenden viele die Klimakrise aus und tun in ihrem Alltag Dinge, die der Umwelt schaden. Klimapsychologe Stefan Ruf weiß, wie wir das ändern könnten.
Gesprächszeit "Wir brauchen ein atmosphärisches Bewusstsein" – Klimapsychologe Stefan Ruf
Stefan Ruf ist Psychotherapeut und arbeitet hauptsächlich mit traumatisierten Jugendlichen. Seit fünf Jahren beschäftigt er sich außerdem mit der Klimapsychologie. Er möchte ein "atmosphärischen Bewusstsein" schaffen, damit wir die drohende Klimakatastrophe nicht länger ignorieren – oder an ihr verzweifeln.
Als Ruf vor etwa fünf Jahren einen Vortrag über Klimaschutz hörte, wurde ihm plözlich klar: Die Klimakatastrophe steht kurz bevor. Wir wissen das, dennoch machen wir einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Und er fragte sich: Warum kriegen wir es nicht hin, beim Klimaschutz aus unserem Wissen entsprechendes Handeln zu entwickeln?
Wir würden niemals in einer brennenden Küche auf die Idee kommen, uns jetzt erst einmal einen guten Kaffee zu kochen. Beim Klimaschutz schon.
Stefan Ruf über das Verhalten vieler, wenn es um den Klimaschutz geht
Wege aus der "Klima-Ignoranz"
Die Psychotherapie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht mit der Ökologie beschäftigt. Es gab also kaum Erklärungsmuster für die überall zu beobachtende "Klima-Ignoranz", sagt Stefan Ruf. Also machte er sich auf die Suche nach Antworten. Er las sich in andere Fachbereiche ein, studierte die Aufzeichnungen ökologischer Pioniere und Philosophen wie Gebser, Sloterdijk, Latour – und fand eigene Erklärungsansätze: "Unser bisheriges modernes Bewusstsein hat uns den ökologischen Schlamassel eingebrockt. Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Lösung."
"Atmosphärische Bewusstsein" für mehr Klimaschutz
Stefan Ruf nennt das, was wir lernen müssten, ein "atmosphärische Bewusstsein". Und weil das so theoretisch klingt, nennt er ein konkretes Beispiel: "Wenn wir in den Himmel schauen, scheint der uns unbegrenzt. Doch tatsächlich ist das ein großer Irrtum: Die Atmosphäre bildet eine hauchzarte, unsichtbare Grenze, etwa vierzehn Kilometer über unseren Köpfen. Darunter entsteht ein Raum, der alles, was lebt, verbindet: die Biosphäre. Doch wir können die Begrenztheit dieses Raumes nicht spüren und blasen deshalb weiterhin viele Abgase in die Luft." So sei es mit vielen Dingen, sagt Ruf. Wir würden nicht fühlen, was wir mit unserem Lebensstil anrichten. Doch das könne man lernen. Und das müssten wir auch lernen, wenn wir uns noch retten wollen. Natürlich werden zum Schutz der Erde auch große politische Entscheidungen getroffen werden müssen. "Aber es geht nicht, einfach nur in Windrädern und anderen Maßnahmen zu denken", so Stefan Ruf.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 20. April 2022, 18:05 Uhr