Im Porträt Als Korrespondentin in Russland: Sonia Mikichs bewegtes Reporterleben

Autorin

Katrin Krämer und Sonia Mikich
Sonia Mikich war als Bremen-Zwei-"Frühlingsgast" nach Oldenburg gekommen. Bild: Radio Bremen | Bernd Scholz

Sonia Mikich liebt den Journalismus. Als Auslandskorrespondentin der ARD berichtete sie aus Russland und Afghanistan. Am 17. Mai war sie unser Frühlingsgast in Oldenburg und hat spannede Geschichten aus ihrem bewegten Reporterleben erzählt.

"Wodka war Zahlungsmittel" – Sonia Mikich

Sonia Mikich liebt den Journalismus. Als Auslandskorrespondentin der ARD berichtete sie aus Russland und Afghanistan.

Bei bestem Frühsommerwetter sitzt Sonia Mikich im Theater Laboratorium und lobt die liebevoll gestalteten Räumlichkeiten – und die Deutsche Bahn. Ihr Zug sei, ausnahmsweise, pünktlich gewesen. Auf Zufahrten verstecke sie sich hinter einem Buch oder der Zeitung und mache sich ganz klein, damit sie sich nicht unterhalten müsse, verrät sie Moderatorin Katrin Krämer und dem Publikum. An diesem Abend in Oldenburg gibt sie aber gern Auskunft, zum Beispiel zur Entstehungsgeschichte ihres zweiten Vornamens. Sonia Simone Mikich hätte das in Oxford geborene Kind einer Deutschen und eines Serben heißen sollen, weil ihre Mutter Simone de Beauvoir bewunderte. "Aber die Engländer sind ja ein bisschen sprachunbegabt, wenn’s nicht Englisch ist, und so wurde 'Seymour' hingeschrieben."

Ich wollte keine Ische sein. Ich war auf der Mackerseite.

Sonia Mikich über ihre Jugend in Herne
eine Frau in orangefarbener Jacke
Gut gelaunt und unterhaltsam: Sonia Mikich. Bild: Radio Bremen | Bernd Scholz

Mit leisem Humor berichtet Sonia Mikich aus ihrem Leben – vom Umzug von London nach Herne nach der Scheidung ihrer Eltern und wie sie dort Anschluss fand: "Ich war dieses englische, magere, des Deutschen nicht mächtige Kind und ich lief immer mit den Jungs rum. Die Jungs hießen Oscheks und die Mädchen hießen Ischen. Und ich wollte keine Ische sein. Ich war auf der Mackerseite."

Sie beteiligte sich an den alterstypischen Mutproben und lernte sehr schnell Deutsch. Auf das Abitur 1970 folgte ein Zeitungsvolontariat und ein Studium der Politologie, Soziologie und Philosophie in Aachen. Nebenher arbeitete Sonia Mikich in einer Marmeladenfabrik und engagierte sich in Frauengruppen. Nach dem Examen bekam sie eine Assistenzstelle an der Universität, aber eine akademische Laufbahn war nichts für sie: "Weil ich es schrecklich fand, diese blöden Fußnoten und so richtig zitieren und so. Aber immerhin gibt’s jetzt keine Plagiatsvorwürfe."

Als einzige Frau in der Auslandsredaktion

Nach einem weiteren Volontariat, diesmal beim WDR, arbeitete sie in der Auslandsredaktion. Dort war sie die jüngste Mitarbeiterin und die einzige Frau und genoss das Image, "ein bisschen freier im Kopf" zu sein. Eine gute Zeit, die aber nicht immer leicht war. "Frauen hatten auf ganz bestimmte Art zu funktionieren. Frauen machten nicht die harte Wirtschaftsberichterstattung, die machten eher so Familie oder Regionales. Da musste man schon ein bisschen mit den Ellbogen arbeiten, um gesehen zu werden."

Falsches Outfit beim Interview mit Rockstar

Publikum im Theater Laboratorium in Oldenburg
Das Publikum im Theater Laboratorium erfuhr Überraschendes von Sonia Mikich. Bild: Radio Bremen | Bernd Scholz

Im Theater Laboratorium freut sich nicht nur Sonia Mikich über die Zwischenmusik von Patti Smith. Auch im Publikum wippen die Füße, nicken die Köpfe im Takt von "Because the Night". Sonia Mikich erzählt, wie sie mal auf der Lit.Cologne ein Gespräch mit der von ihr hochgeschätzten Musikerin moderieren durfte, aber in der Frage des Outfits versagte. "Ich war damals noch Monitor-Chefin und eine ernstzunehmende Persönlichkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich ging dahin in einem schmalen Etuikleid mit hohen Hacken. Dann kommt diese Frau auf die Bühne, breitbeinig, Lederstiefel, graue, wölfische Haare."

Ich habe ihm abgeguckt, mit diesem unvoreingenommenen Blick auf meine Interviewpartner zuzugehen.

Sonia Mikich über Journalist Gerd Ruge

Nach einem spröden Anfang wurde aber alles gut. Vermutlich auch, weil Sonia Mikich ein paar gute Fragen stellte. Wie das geht, hat sie unter anderem von Gerd Ruge gelernt, der sie einst ins ARD-Studio Moskau holte. Er war ein sehr herzlicher Mensch, erzählt Mikich. Einer ohne Allüren, einer, der zuhörte und sehr viel wusste. "Ich habe ihm abgeguckt, glaube ich, mit diesem unvoreingenommenen Blick auf meine Interviewpartner zuzugehen."

So hat auch Sonia Mikich schon früh ein paar Dinge an Wladimir Putin beobachten können, am Anfang seiner Zeit als russischer Präsident. "Das Erste, was er getan hat, war, den zweiten Tschetschenienkrieg auszurufen und mit einer Brutalität vorzugehen, die unvorstellbar war. Und zeitgleich, und wir reden jetzt vom Jahr 2000, wurde nach und nach die freie Presse mundtot gemacht und die Parteienvielfalt immer mehr eingeschränkt. Und ich hab' damals schon geschrieben, das ist ein Kriegspräsident, das ist kein Demokrat."

Wodka im Reporterinnengepäck

Aber Sonia Mikich verbindet auch viele gute Geschichten mit Russland. Zum Beispiel von Reisen durch unwegsames Gelände zu den Nomaden der arktischen Tundra, im Gepäck ein paar Flaschen Wodka. "Das war Zahlungsmittel, ich mach keine Scherze. Die Lieferketten waren noch nicht so gesichert. Und wenn man in abgelegene Gegenden kam, war es gut, ein Kistchen mit diesen 0,5-Liter Wodkaflaschen dabei zu haben. Das war ein Gastgeschenk, oder Annäherungsgeschenk."

Das Reporterleben sei großartig gewesen, das Schönste, sagt sie, egal ob vor der Haustür, in Afghanistan oder Tschetschenien, oder eben in der Tundra: "Irgendwo hinzureisen, worüber man noch nicht so viel weiß, worüber auch das Publikum nicht so viel weiß. Man geht dahin, weil andere das miterleben sollen."

Ich find nichts langweiliger, als wenn der Himmel die ganze Zeit blau ist. Wolken sind schön, da passiert etwas.

Sonia Mikich über die Faszination der Wolken

Heute lebt Sonia Mikich einen Teil des Jahres in Griechenland, an einem stillen Ort, in einer "Erdfalte", wie sie sagt. Sie schreibt, arbeitet im Garten oder beobachtet das Spiel der Wolken, mit deren unterschiedlichen Formen sie sich sehr gut auskennt. "Ich find nichts langweiliger, als wenn der Himmel die ganze Zeit blau ist. Wolken sind schön, da passiert etwas."

Und das staunende Publikum erfährt, dass es eine "cloud appreciation society" gibt, eine Gesellschaft der Wolkenfreunde, in der sie Mitglied ist. Da passt das Geschenk, das Moderatorin Katrin Krämer Sonia Mikich überreicht: einen himmelblauen Regenschirm mit weißen Wolken.

eine Frau in orangefarbener Jacke

ARD-Korrespondentin Sonia Mikich: "Ich wollte keine Ische sein!"

Sonia Mikich mag Wolken. Und sie liebt ihren Beruf. Als Auslandskorrespondentin der ARD berichtete sie aus Russland und Afghanistan.

Bild: Radio Bremen | Bernd Scholz

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 20. Mai 2022, 18:05 Uhr

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