Im Porträt Diese Soziologin will Schwarz-deutsche Geschichte sichtbar machen
Standdatum: 25. Mai 2022.

Natasha A. Kelly ist Soziologin, Kommunikationswissenschaftlerin, Autorin, Künstlerin und Kuratorin – und möchte als schwarze Deutsche die Schwarz-deutsche Geschichte sichtbar machen.
Gesprächszeit "Wir sind mehr als die Summe unserer Rassismus-Erfahrungen" – Natasha A. Kelly
Natasha A. Kelly wurde 1973 in London geboren. In ihren ersten Kindheitserinnerungen sieht sie sich mit ihren drei älteren Schwestern Puppenstuben aus Schuhkartons basteln, im Londoner Stadtteil Hackney, wo damals die jamaikanische Community zuhause war: "Wir haben immer die jamaikanische Kultur gelebt. Egal ob in England oder später in Deutschland. Das Essen, die prägnante Rolle der Frauen, die Reggae-Musik. Das habe ich seit vielen Generationen mitbekommen, dass unsere Kultur immer im Gepäck war."
Es gab drei Worte, die ich sofort verstanden habe: "ja", "nein" – und das "N-Wort".
Natasha A. Kelly über ihre ersten sprachlichen Erfahrungen in Deutschland
In Deutschland war Natasha A. Kelly dann das einzige Schwarze Kind an der Schule. Und musste erste Rassismus-Erfahrungen sammeln: "Ich konnte damals auch noch kein Deutsch. Daran erinnere ich mich tatsächlich sehr gut. Weil es drei Worte gab, die ich sofort verstanden habe: 'Ja', 'nein' – und das 'N-Wort'. Das braucht ja keine Übersetzung. Und da habe ich das erste Mal Rassismus erlebt in der weißen Mehrheitsgesellschaft."
Mittlerweile lehrt und forscht die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin und Soziologin an Universitäten in Deutschland, Österreich und den USA über strukturellen Rassismus. An der Universität Tübingen lehrt sie aktuell am Institut für Medienwissenschaft. Dabei liegt Kellys Fokus auf Schwarzer-deutscher Geschichte: "Meine Mission ist es, Schwarze-deutsche Geschichte sichtbar zu machen, um Schwarzen Menschen hierzulande eine Gegenwart zu ermöglichen. Ohne Geschichte ja keine Gegenwart und damit auch keine Zukunft."
Künstlerische Intervention in Bremen
Auch in der bildenden Kunst sucht sie nach Schwarzer-deutscher Geschichte. In der Kunsthalle Bremen hat sie sich das bekannte Gemälde des expressionistischen Künstlers Ernst Ludwig Kirchner "Schlafende Milli" vorgenommen. In einer künstlerischen Intervention geht sie der Frage nach, wer die Schwarze nackte Frau auf dem Gemälde eigentlich war. Dabei wünscht sie sich ein möglichst diverses Publikum: "Die Schwarze Community wird ja durch diese Erzählungen empowert. Das gibt ihnen eine Identität, eine Zugehörigkeit zu Deutschland, was ja lange Zeit fehlte. Und für die weiße Dominanzgesellschaft geht es ja darum, ihr Verständnis vom Deutsch-Sein zu erweitern".
Wenn ich mit meiner Familie in anderen Ländern bin, ist mein prägendstes Merkmal mein Deutsch-Sein.
Natasha A. Kelly über ihre eigene Schwarz-deutsche Geschichte

Deutschland habe ihr lange Zeit das Gefühl vermittelt, aufgrund ihres Aussehens nie Deutsche werden zu können. Doch das habe sie gar nicht aufhalten lassen, so Kelly, die das deutsche Bildungssystem von der Schule bis zur Professur durchlaufen hat. "Wenn ich mit meiner Familie in anderen Ländern bin, in der Karibik, ist mein prägendstes Merkmal mein Deutsch-Sein.", sagt Natasha A. Kelly heute.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 24. Mai 2022, 18:05 Uhr